Bauhaus-Direktorin im Interview Bauhaus-Direktorin im Interview: "Scheu hatte ich nicht"

Dessau-Rosslau - Am ersten August trat Claudia Perren als Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau die Nachfolge von Philipp Oswalt an, dessen Vertrag nicht für eine zweite Amtszeit verlängert wurde. Nach einer ersten öffentlichen Vorstellungsrunde am Bauhaus sagte die von Sydney (Australien) aus nach Dessau übersiedelte Architektin bis gestern alle Interviewanfragen ab, um sich erst einmal der Arbeit Stiftung zu widmen. Mit der 41-Jährigen sprach unser Redakteur Christian Eger.
1973 in Ostberlin geboren, studierte Claudia Perren an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee sowie in New York und Zürich Architektur. 2005 wurde sie an der Universität Kassel in Architektur-Theorie mit einer Arbeit über Dan Graham und Peter Eisenman promoviert. In den vergangenen Jahren lehrte sie Entwurf, kuratorische Praxis, Geschichte und Theorie der Architektur und Kunst am Fachbereich Architektur, Design und Städtebau an der Universität in Sydney, Australien. Perren ist verheiratet und hat zwei Kinder. Im Juli ist sie mit ihrer Familie nach Dessau gezogen, wo sie lebt.
Frau Perren, lassen Sie uns zuerst über Ihren Weg nach Dessau reden. Wie hatten Sie in Australien von der ausgeschriebenen Stelle erfahren?
Perren: Ich bekomme online Jobs mitgeteilt, die für mich relevant sind. Den Wunsch, mich von Australien aus zurück nach Europa zu bewerben, hatte ich seit ein paar Jahren.
Sie hatten sich 2011 um eine Professur an der Bauhaus-Universität Weimar beworben.
Perren: Nicht nur in Weimar. Auch an der TU Berlin war ich für die Professur für Architektur-Theorie in der engeren Auswahl. Hat beides nicht geklappt! (lacht)
Kannten Sie Dessau, als Sie sich bewarben?
Perren: Ich habe hier keine Verwandten, aber ich kannte die Stadt. Ich war drei Mal hier, immer im Zusammenhang mit dem Bauhaus und dem Wörlitzer Park.
Hat Sie Dessau überrascht?
Perren: Mich überrascht, dass es internationaler ist, als man denkt. Und das nicht nur am Bauhaus.
Die Stelle des Bauhausdirektors war mit politischer Macht geräumt worden. Gab es bei Ihnen einen Moment der Scheu, sich unter diesen Umständen zu bewerben?
Perren: Scheu hatte ich nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass ich vorher schon einiges erlebt hatte. Ich habe an Universitäten gearbeitet und die fordern immer eine Mischung aus fachlicher und politischer Kompetenz. Mir ist natürlich bewusst, dass diese Stelle nicht nur Fachliches von mir fordert, sondern auch politisches Gespür.
Sie sind in den ersten Tagen sehr von der Landespolitik umarmt worden. Wieviel Nähe, wieviel Distanz zur Politik ist in Ihrem Amt sinnvoll?
Perren: Ich vertrete ganz klar die Interessen des Bauhauses. Und für diese Interessen werde ich mich mit der Politik arrangieren, aber nicht anders herum.
Bei Ihrem Amtsantritt sagten Sie, dass Sie jeder Person mit Offenheit begegnen werden. Andererseits erklärten Sie öffentlich, dass es mit Ihrem Vorgänger Philipp Oswalt keine Zusammenarbeit geben soll. Mich hat das überrascht.
Perren: Ja, das ist auch sehr schade. Nachdem öffentlich wurde, dass ich die neue Direktorin werden würde, gab es einen kurzen E-Mail-Austausch mit Philipp Oswalt. Der war sehr positiv. Ich hatte ihm gesagt, das Bauhaus würde für ihn immer offen stehen. Dann erschien sein Artikel in der „Zeit“. Den kann ich für das Bauhaus so nicht akzeptieren. Das ist rufschädigend, das ist Nachtreten, das finde ich hochgradig unprofessionell. Danach ist dieser erste sehr positive Austausch abgebrochen.
Frau Perren, was wollen Sie am Bauhaus besser machen?
Perren: Ich würde nicht von etwas „besser machen“ sprechen. Ich bringe meine Erfahrungen mit. Für meine Amtszeit ist 2019 wichtig, 100 Jahre Bauhaus, ganz klar. Das Ziel ist, ein Museum zu bauen. Es steht die Frage, wie stellt sich künftig die Stiftung auf? Und: Ich würde das Bauhaus, das ja ein Schulgebäude ist, gerne wieder mehr als Schule benutzen.
Wie soll das aussehen?
Perren: Wir können Universitäten anbieten, dass sie im Bauhaus ein sogenanntes Modul aus ihrem Lehrplan durchführen. Wir bieten unser Wissen, unser Archiv und unsere Räume an, die Universitäten schicken ihre Lehrkräfte und Studenten. Voraussetzung ist, dass ihre Themen eine Relevanz für das Bauhaus haben.
Ein Bauhaus-Kolleg hatte es schon einmal gegeben, für das zuletzt aber die Mittel gestrichen worden sind.
Perren: Das Modell von dem ich spreche, wird vorrangig von der Uni bezahlt. Das ist ein anderes Businessmodell.
Wie soll es weiter gehen mit der Forschung in der Stiftung?
Perren: Dazu kann ich mich erst äußern, wenn ich mit allen Mitarbeitern gesprochen habe.
Gibt es Bauhaus-Themen, die für Sie bisher zu kurz kamen?
Perren: Ich finde, dass die Textilgestaltung etwas zu kurz gekommen ist. Die erlebt heute, wenn man die Performancekunst ansieht, ein großes Revival. Auch im Blick auf Moholy-Nagy oder auf die Bauhaus-Rezeption in der DDR könnte noch einiges geschehen.
Sind Sie in Dessau die Bauhaus-Bauten schon abgelaufen?
Perren: Ja, alle. Das Arbeitsamt von Gropius finde ich wunderschön, auch, dass es noch genutzt wird. Etwas schockiert hat mich, dass da ein Plattenbau so unmittelbar heran gebaut wurde.
Sollte man den entfernen?
Perren: Nein, nein! (lacht) Der ist ein Zeitzeichen, würde ich sagen.
Trotz gefasster Beschlüsse wird in Dessau wieder über den Standort des Bauhausmuseums gestritten. Was ist hier los?
Perren: Grundsätzlich finde ich gut, dass diskutiert wird. Ich komme aus Berlin, da habe ich schon einiges erlebt. Manchmal braucht es eben Zeit. Mir scheint, es fehlt auch an Informationen. Viele wissen gar nicht, was wir für eine Sammlung haben und dass so eine Sammlung bestimmte Räume braucht. Und was den Standort betrifft: Grundsätzlich kann man im Städtebau nicht von einem Richtig oder Falsch reden. Es sind verschiedene Ansätze, die man gut und interessant umsetzen könnte.
Finden Sie den Standort Stadtpark richtig oder gut?
Perren: Gut. Und interessant. Die Stiftung hat nicht nur Verantwortung für das berühmte Bauhausgebäude, sondern auch für die anderen Bauhausbauten der Stadt.
Ist in Sachen Standort die letzte Entscheidung gefallen oder ist da noch irgendetwas offen?
Perren: Ich denke, die Entscheidung ist gefallen. Ja.
Angesichts der sehr emotional geführten Diskussion: Sollte sich die Stadt Dessau tatsächlich das Attribut „Bauhausstadt“ verpassen?
Perren: Als ich hier mit dem Zug ankam und ausstieg, stand auf dem Schild „Bauhausstadt Dessau“. Da ist doch eigentlich alles klar. (lacht)
Sie meinen also: Ja?
Perren: Ja.
Bislang fehlt die Zusage des Bundes zur Finanzierung des Museums.
Ist die Situation tatsächlich kritisch?
Perren: Man kann nicht sagen, dass sie unkritisch ist.
Werden Sie dieses Jahr noch den Wettbewerb ausschreiben?
Perren: Nein. Erst wenn die Finanzierung bestätigt ist, voraussichtlich Anfang nächsten Jahres.
Gibt es schon ein inhaltliches Konzept für das Museum?
Perren: Die Präsentation wird stark auf die Dessauer Zeit bezogen, nicht auf die übliche Bauhaus-Chronik.
Es soll keine Dauerausstellung geben, sondern einen steten Wechsel von Sonderausstellungen?
Perren: Nein, es wird in der Ausstellung Themenkomplexe bestückt mit unserer Sammlung geben, die erneuert werden können. Auch um den Dessauer zu erreichen. Der kann dann nach zwei Jahren sagen: Oh, die haben was Neues, da kann man wieder hingehen! Für Sonderausstellungen gibt es einen eigenen Teil. Aber man wird auch Räume zusammenlegen können. Die Ausstellungsfläche umfasst insgesamt 2 100 Quadratmeter.
Als Ihre Personalie im Sommer bekanntgegeben wurde, brachte Sie das Land betont als „Ostdeutsche“ ins Spiel. Hat Sie das überrascht?
Perren: Ich hatte das Ostdeutsche fast vergessen. In Australien fragt niemand nach Ost oder West.
Und in Dessau?
Perren: Da wissen es einfach alle. Ost-West ist in Deutschland immer noch ein Thema.
Und für Sie?
Perren: Es ist ein Teil meiner Erfahrung.
In der MZ stand unter Ihrem Foto „Mädchen aus Ostberlin“.
Perren: Ja.
Können Sie damit umgehen?
Perren: Also wissen Sie, ich komme aus Berlin, da bin ich nicht empfindlich. (lacht)
(mz)