Ballett Ballett: Shakespeares Blumenkinder tanzen auf Halles Bühne
HALLE/MZ. - In William Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum" verzaubert ein rebellischer Geist namens Puck seither Menschenaugen mit einer Blüte namens "Love in Idleness", deren Saft zuverlässig für Liebe auf den ersten Blick sorgt.
Liebeswirren bei Hofe
Als der gehörnte Dealer den Trick nun zum Ende von Ralf Rossas jüngster Inszenierung am halleschen Opern-Publikum probierte, war dies allerdings überflüssig: Die Premieren-Besucher hatten sich längst in den Abend verguckt, der den utopischen Wunsch "Make Love, Not War" aus der elisabethanischen Antike herleitet.
Dabei hielt der Choreograf seine Schöpfung zunächst auf Abstand: Hinter einem transparenten Vorhang stiftete er die Liebeswirren am Athener Hof von Theseus und Hippolyta, von denen die jungen Liebenden Hermia, Lysander, Helena und Demetrius schließlich in den Wald der Feenfürsten Oberon und Titania getrieben werden. Und weil es schon im Schauspiel einiger Aufmerksamkeit bedarf, um diese emotionale Gemengelage zu verstehen, zeigte er die kreuzweise ineinander verliebten und verbissenen Paare in pantomimischen Posen, die ihre tänzerische Entfaltung eher ausbremsten.
Felix Mendelssohn-Bartholdys "Sommernachtstraum"-Ouvertüre beflügelte vorerst eher die bonbon-bunten Blumenkinder (Kostüme: Götz Lanzelot Fischer), die als Gegenwelt bereits präsent waren - und alsbald die Herrschaft übernahmen. Zu John Dowlands Lauten-Lied "Wilt Thou Unkind." aber zeichnete die verzweifelte Helena dann eine erste Skizze, aus der sich schnell genaue Charakterzüge aller Protagonisten entwickeln sollten. Und nachdem der affektsichere, aber nicht manieristisch auftretende Barde Gerd Vogel mit seiner Begleiterin Petra Burmann hier die Basis gelegt hatte, fand auch die Staatskapelle unter David T. Heusels Leitung tänzerische Impulse in Mendelssohns Romantik - wobei der große Pas de Deux von Oberon (Rafal Zeh) und Titania (Markéta Slapotová) dank Dorotheé Strombergs schmerzhaft-schönem Violin-Solo die größte Sehnsucht nach Dauer weckte.
Die Duette und Duelle zwischen Zdenko Galaba und Michal Sedlacek, Ludivine Revazov-Dutriez und Hyona Lee spielten hingegen auf der Klaviatur grausamer und zärtlicher Begegnungen, wobei die Komik (wie bei Shakespeare) aus der Konfrontation unterschiedlicher Temperamente entstand: der nervöse, drahtige Kleine gegen den lässigen, selbstgewissen Großen, die elegisch Träumende gegen die energisch Zupackende - und zudem alle in dieser Quadratur möglichen Variationen tänzerischer Anziehung oder Abstoßung.
Dass Ralf Rossa besondere Sympathie für den obersten Bühnen- und Zeremonienmeister Puck entwickeln würde, den Sylvain Guillot als springlebendigen Faun mit Witz und Frechheit tanzt, war erwartbar - ebenso wie seine Zuneigung für die Handwerker, deren tragikomisches Spiel zu sinfonischen Beatles-Arrangements zur Liebeserklärung an das Theater gerät. Mit Benjamin Zettl sticht hier eine Figur gleichen Namens hervor, die aus dramaturgischen Gründen diesmal zwar in das Tüll-Tutu der Thisbe schlüpft. Mit der Trauer am Grab des Pyramus aber sorgt Zettel für unverhoffte Vereisung des Gelächters, nachdem er die majestätische Titania bereits zu lüsternen Bocksprüngen verleitet hat.
Gelungene Balance
Dass der Traum - mitsamt der Orgie, in die sich auch die Zauber-Sängerinnen Mona Deibele und Susannah Haberfeld sowie die Opern-Choristinnen mischen - insgesamt eher harmlos ausfällt, mag man nach schmerzhafteren Deutungen im Schauspiel bedauern. Den Zuschauern aber gefiel die große, spartenübergreifende Geste im elektrifizierten Wald von Bühnenbildner Matthias Hönig ebenso wie Rossas Balance zwischen seinen rasanten Panoramen und den entschleunigten Miniaturen.
Nächste Vorstellungen: am 28. November sowie am 30. Dezember, jeweils um 19.30 Uhr