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Balkan-Pop Balkan-Pop: Frische Klänge aus dem wilden Osten

Von Gunnar Leue 16.06.2006, 07:59

Halle/MZ. - Die Krise als Chance zu begreifen ist eine zuweilen zynische Forderung, doch Armin Siebert hat genau das getan. Er war ein kleines Rädchen in der Plattengroßindustrie - und als die ihm keine Perspektive mehr bot, hat er sich mit einem Partner selbstständig gemacht. Zusammen gründeten er und Alexander Kasparow vor anderthalb Jahren das kleine Label Eastblok Music, dessen Domizil ein winziges Ladengeschäft in Berlin-Kreuzberg ist.

Für Armin Siebert ist es vorerst die Endstation auf seiner Odyssee durch die Musikbranche, die vor einigen Jahren in Sachsen begann. Geboren in Mecklenburg, war Siebert als Kind mit seinen Eltern nach Döbeln gezogen, ehe er von dort auf eine Russisch-Spezialschule ging. "Da mein Hauptinteresse aber immer Englisch und der Musik galt, bin ich nach dem Abi erstmal nach London gezogen."

1992 kam er zurück nach Leipzig, wo er neben dem Studium Musikrezensionen schrieb und zu den Mitbegründern eines alternativen Radiosenders gehörte. Irgendwann wurde das Majorlabel EMI auf ihn aufmerksam und ließ ihn zunächst von Leipzig aus den Südteil Ostdeutschlands betreuen, ehe es ihn 2000 nach Berlin ins Osteuropa-Büro holte. Zu Sieberts Job gehörte es fortan, zum Bilanzwohl des Musikkonzerns den Osteuropäern westliche Popmusik nahe zu bringen. Dass die Gründer der Ostblockfirma nun den Spieß umdrehen und Interesse für das wecken wollen, was im Osten musikalisch so produziert wird, ist freilich halb aus Not und halb aus Leidenschaft geboren. "Als wir EMI-Stars wie Robbie Williams oder Coldplay für Osteuropa promoteten, lernten wir nebenbei viele tolle Bands kennen, hatten aber keine Zeit, uns um eine Veröffentlichung hier zu kümmern", erzählt Armin Siebert. "Also setzten wir alles auf eine Karte und gründeten Eastblok."

Die ersten Veröffentlichungen kamen aus Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. So enthielt ein Sampler russische Tischlieder ("Durch die wilden Steppen am Baikalsee"), ein zweiter widmete sich ukrainischer Musik. Stilistisch geht es da querbeet, von Underground bis Folk und Ska-Punk ist alles dabei. "Das Faszinierende an den osteuropäischen Musikern ist, dass die tief in ihrer slawischen Seele einen Tick mehr Leidenschaft und Verrücktheit haben", findet Armin Siebert. Das sehen hiesige Musikfreunde offenbar genauso, immerhin gingen von der CD "Balkan Beats" rund 5 000 über den Ladentisch, eine durchaus beachtliche Zahl für eine Indiefirma.

"Talente gibt es genug und unser Vorteil ist, dass wir viele von denen auch kennen", sagt Alex, der Armenier. Natürlich seien Qualität und Originalität entscheidend bei der Auswahl, allerdings würden auch die hiesigen Marktchancen berücksichtigt. "Deshalb war unser erstes Projekt nicht gleich Avantgardemusik aus Usbekistan."