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Axl Rose singt bei AC/DC Axl Rose singt bei AC/DC: Hochzeit in der Hölle

Von Steffen Könau 23.05.2016, 13:31
Sind Axl Rose (l.) und Angus Young das neue Traum- oder das Alptraumduo des Hardrock? Die Meinungen der AC/DC-Fans sind vor dem Konzert in Leipzig gespalten, die erste Skepsis aber ist gewichen - 45.000 Zuschauer werden den Auftritt in der Redbull-Arena erleben.
Sind Axl Rose (l.) und Angus Young das neue Traum- oder das Alptraumduo des Hardrock? Die Meinungen der AC/DC-Fans sind vor dem Konzert in Leipzig gespalten, die erste Skepsis aber ist gewichen - 45.000 Zuschauer werden den Auftritt in der Redbull-Arena erleben. ap

Halle (Saale) - Die ersten Live-Auftritte hätte sich niemand sinnbildlicher ausdenken können. Der kleine Mann in der roten Schuluniform setzt zu seinem berühmten Ausfallschritt an, die Gitarre im Anschlag, die Oberlippe zum Strich gefaltet. Und dann tanzt er um den Sänger, der mit Cowboyhut und Lederjacke auf einer Art Thron sitzt, einen Fuß bandagiert und hochgelegt.

Schwere Akkorde aus den Boxen. Dann beginnt der Versehrte im Sessel mit einer Stimme wie Scherbenglas zu singen: „Hells Bells“ - Höllenglocken - heißt das Lied, bei dem eine überdimensionale Glocke über der gigantischen Open-Air-Bühne schwebt, mit der AC/DC seit letztem Jahr um die Welt reisen.

Tragödie um Bon Scott

Das Lied war einer der ersten Songs, die die australische Rockgruppe mit ihrem neuen Sänger Brian Johnson einspielte, nachdem Vorgänger Bon Scott im Februar 1980 an einer Alkoholvergiftung gestorben war. 36 Jahre später hatte Angus Young, der Gitarrist in der Schuluniform, wieder Ersatzbedarf: Sänger Johnson litt unter Hörproblemen, die anstehenden zwölf Konzerte der „Rock or Bust“-Tournee standen vor einer Absage. Das wäre höchstwahrscheinlich auch das Ende der seit 1976 gewachsenen Rocklegende AC/DC gewesen, die bis heute mehr Alben verkauft hat als die Rolling Stones.

Angus Young letztes Ur-Mitglied

Angus Young, 61 Jahre alt und seit dem Ausstieg seines an Demenz erkrankten Bruders letztes Ur-Mitglied von AC/DC, handelte pragmatisch. „Es war eine Krise“, sagt der nur 1,57 Meter kleine Gitarrist, „und wir mussten schnell reagieren“. Während AC/DC schon mit Ersatzsängern von verschiedenen Coverbands probten, meldete sich Axl Rose über einen gemeinsamen Bekannten mit der Frage, ob er nicht vielleicht helfen könne.

Rose, der mit seiner Band Guns N' Roses selbst rund 100 Millionen Alben verkauft hat, ist sieben Jahre jünger als Angus Young und seit seiner Kindheit glühender AC/DC-Fan. Mit den damals gerade gegründeten Guns N' Roses spielte er den AC/DC-Klassiker „Whole Lotta Rosie“ schon 1987 nach - und eine Aufnahme der seinerzeit von GN'R heruntergeknüppelten Nummer hörte Angus Young nach Roses’ Anruf an. „Ein guter Anfang, habe ich gedacht“, begründet er heute, warum Axl, der als egozentrisch beschriebene Sohn eines Kleinkriminellen aus Lafayette im US-Bundesstaat Indiana, ihm als geeignet erschien, den Platz am Mikro der disziplinierten Rockmaschine AC/DC einzunehmen.

Sittenbild des Rock’n’Roll

Eine Hochzeit in der Hölle, bei der zwei der größten noch aktiven Rockbands der 80er erstmals gemeinsame Sache machen. Und ein Sittenbild des Rock’n’Roll, sechs Jahrzehnte nach Bill Haleys „Rock Around the Clock“: Der seit einem Unfall beim Comeback-Konzert von Guns N’ Roses auf einem gebrochenen Bein humpelnde frühere Bühnenwirbelwind Rose hilft den AC/DC-Kollegen, die derzeit mit einem von der australischen Justiz verfolgten Drummer, einem dementen Gitarristen und einem ertaubten Sänger geschlagen sind.

Das passt in eine Zeit, in der die Rockmusik der 60er Jahre langsam ausstirbt und die zweite Generation aus den 70ern immer schneller in die Jahre kommt. Die meisten Bands und Künstler von damals sind noch da, irgendwie. In diesem, dem vielleicht letzten großen Sommer des Rock, sind sie sogar noch einmal alle unterwegs. Rod Stewart, 71. Elton John, 69. Neil Young, 70. Van Morrison, 70. Ian Gillan von Deep Purple, 71. „Aber vielleicht ist es die letzte Runde“, sagt Matthias Winkler, der hallesche Konzertveranstalter, der die großen Stars seit Jahren nach Mitteldeutschland holt. Niemanden hat der Zahn der Zeit unangenagt gelassen. Bei den Scorpions stoppte erst eine Kehlkopfentzündung von Klaus Meine (67) eine Welttourne. Dann erwischte es Drummer James Kottak (53), für den nun Ex-Motörhead-Schlagzeuger Mikkey Dee einspringt. Der hat seit dem Tod seines Chefs Lemmy Kilmister im Dezember keine Band mehr, weil Motörhead ohne den backenbärtigen Bassisten wirklich nicht vorstellbar gewesen wäre.

Nachwuchs aus der Familie Young

Aber das ist eher die Ausnahme. Meist geht es auch hinter Friedhof oder Krankenhaus weiter. Bei AC/DC hat Neffe Stevie Young seinen Onkel Malcolm an der Rhythmusgitarre ersetzt. Bei Karat vertritt Sohn Claudius Dreilich Vater Herbert. Beim letzten Led Zeppelin-Comeback trommelte Jason Bonham für Vater John. Und wo die Originale fehlen, springen Ersatzleute ein. Bei Queen übernahm nach dem Tod von Freddie Mercury erst Paul Rodgers, mittlerweile singt der 34-jährige Musical-Profi Adam Lambert bei Live-Auftritten der Original-Mitglieder Brian May und Roger Taylor. Bei Silly ist Anna Loos die neue Tamara Danz, bei Genesis gab Ray Wilson von Stiltskin den Frontmann, bei Yes schlüpft Jon Davison in die Rolle von Bandgründer und Sänger Jon Anderson.

Legenden müssen ewig leben. Zu wertvoll sind die großen Pop-Marken, als dass sie aufgegeben werden könnten. Namen sind nicht Schall und Rauch, sondern alles, was zählt, wenn es Bandnamen sind. AC/DC aber ist ein Sonderfall, glaubt Matthias Winkler. „Axl Rose ist ja kein Ersatz, sondern selbst Superstar“, beschreibt er den Status des neuen AC/DC-Sängers, der mit GN'R zuletzt 1992 in Deutschland zu erleben war. „Und stimmlich ist Axl ganz nah an Bon Scott - näher als Brian Johnson.“

Alles wieder wie zu Zeiten von Bon Scott

Auch Michael Horntrich, der seit mehr als 20 Jahren Gitarre bei der hochgelobten halleschen AC/DC-Coverband The Jailbreakers spielt, lobt Rose. „Der singt das astrein“, sagt er, „so gut, dass sie die alten Sachen alle wieder in der Originaltonart spielen können“. Seit Brian Johnson bei AC/DC den Frontmann gab, waren die Instrumente der Australier einen halben Ton tiefer gestimmt. Nun ist alles wieder wie zu Zeiten von Bon Scott. Aber richtig glücklich ist Michael Horntrich auch nicht. „Lieber so als gar nicht“, sagt er zwar. Aber als harter Fan, der all die Jahre kein Konzert ausgelassen hat, müsse man einsehen: „Das ist nicht mehr AC/DC.“

Ein Teil der Fans sieht das ähnlich. Etwa 3.000 Karten für das Leipziger Konzert wurden zurückgegeben, nachdem Angus Young Axl Rose als neuen Sänger vorgestellt hatte. Matthias Winkler, der sich Aufnahmen der ersten Konzerte von Axl/DC angeschaut hat, hält das für eine falsche Entscheidung. „Das ist eine einmalige Kombination, das wird es nie wieder geben.“

Letztes Deutschlandkonzert?

Auch der technische Aufwand übertrifft alles, was bisher in der RedBull-Arena aufgefahren wurde. Sieben Tage vor der Show fahren 90 Sattelschlepper das Material für Bühne, Licht- und Tonanlage an. 70 Meter breit, 24 Meter tief und 20 Meter hoch ist das Stahlmonster, über das Angus Young übernächste Woche fetzen wird. 1.200 Mitarbeiter bauen die Bühne auf, 150 Techniker sind darunter, 30 Licht-, 18 Ton- und 16 Videotechniker.

Ein Abschied, wie er gewaltiger kaum ausfallen könnte. Es ist das letzte Deutschlandkonzert der „Rock or Bust“-Tour, das letzte Deutschland-Konzert von AC/DC und Axl Rose und vielleicht sogar das letzte Deutschlandkonzert, das AC/DC jemals spielen werden. Matthias Winkler zumindest hat so ein Gefühl, dass Rockgeschichte geschehen könnte. „Davon werden wir noch in Jahren sprechen.“ (mz)

AC/DC spielen live am 1. Juni ab 20 Uhr in der RedBull-Arena

Mehr Informationen unter: www.mawi-concert.de, www.jailbreakers.de

Guns N' Roses in der Originalbesetzung mit Axl Rose (M.)
Guns N' Roses in der Originalbesetzung mit Axl Rose (M.)
Geffen
AC/DC mit Brian Johnson (l.) und Angus Young anno 1990
AC/DC mit Brian Johnson (l.) und Angus Young anno 1990
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