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Axel Noack Axel Noack: «Die meisten waren dagegen, aber äußerlich angepasst»

Von ANDREAS MONTAG 12.01.2009, 17:46

MAGDEBURG/MZ. - Seit Jahresbeginn gibt es die EvangelischeKirche in Mitteldeutschland - die Fusion derKirchenprovinz mit der Evangelischen LandeskircheThüringen ist vollzogen.

Ausblicke

Dass sich Axel Noack, der nicht wenigÜberzeugungskraft investieren musste, um dieVernunftehe der beiden Kirchen zu einer leidlichfröhlichen Gemeinschaft zu zimmern, nun, dader größte Teil der Arbeit getan ist, quasiselbst abschafft, entbehrt freilich nichteiner gewissen Ironie.

Noack, dem Humor zum Glück nicht fremd ist,kann darüber schmunzeln. Wehmut gestatteter sich nicht, es war schließlich von Anfangan ausgemacht, dass es weder sein ThüringerKollege Kähler noch er selber sein würden,die die neue Kirche leiten, sondern ein neuerBischof. Punkt. Da sind Protestanten pragmatisch.

Seine Mutter, sagt Noack, habe gefragt, ober nun zum Arbeitsamt gehen müsse. Dazu wirdes allerdings nicht kommen, der ArbeitgeberKirche kümmert sich um seine Mitarbeiter,Man solle nicht vergessen, dass derlei Fürsorgekeine Selbstverständlichkeit ist, findet derBischof.

Im Sommer wird er nicht nur sein Amt, sondernauch die bischöfliche Dienstwohnung aufgeben,so ist es Brauch. Dafür haben seine Frau,ebenfalls Theologin, und er das Pfarrhausin Mötzlich am Rande von Halle ins Auge gefasst."Ich bin gern Pfarrer", sagt der Bischof,wahrscheinlich wird er sich eine Stelle mitseiner Frau teilen. Was er noch vorhat: Erwird an der Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergVorlesungen und Seminare zur kirchlichen Zeitgeschichtehalten, ein Feld, das zurzeit nicht beackertwird. "Große Lust" habe er darauf, sagt Noack,der schon als Merseburger Studentenpfarrermit Vorträgen zu Themen und Personen, diein der DDR "nicht so opportun waren", unterwegsgewesen ist.

Rosa Luxemburg, die sozialistische Ikone,die man nicht gelesen haben musste im Osten,nennt er. Und die erstaunliche Früh-Geschichtevon Honeckers FDJ, die anfangs sogar von denKirchen mitgetragen worden ist - bis die SEDAnfang der 50er Jahre die Parole von der "Kampfreserveder Partei" ausgab. Noack ist neugierig darauf,ob er die jungen Leute erreichen wird. Aberwirklich bange ist dem guten, bildhaften Rednerdavor nicht. Und über den Nutzen einer Beschäftigungmit der jüngeren Zeitgeschichte lässt sichkaum streiten, nicht nur, weil wir in diesemJahr ein Jubiläum des Mauerfalls haben. Dennallmählich beginnen die Konturen zu verwischen."Neulich", sagt der 1949 Geborene, "hat michein junger Kollege von Ihnen gefragt, ob icheigentlich im Krieg war."

Das ist wirklich eine hübsche Anekdote,ernster ist die Frage der Geschichtsbetrachtungallerdings doch - was Staat und Kirche, Bürgerund Anpassung in der DDR betrifft: "Die meistenwaren innerlich dagegen und äußerlich angepasst.Und sie haben von der Kirche erwartet, dasssie protestiert, obwohl sie sich selbst ruhigverhalten haben", sagt Noack.

Und noch etwas hat er vor: Demnächst freivon diplomatischen Rücksichten, die das Bischofsamtverlangt, will sich Noack wieder stärker insPolitische mischen. Als größte Gefahr im Momentsieht er nicht die wirtschaftlichen Probleme,von denen alle reden, sondern den Umstand,dass "viele Menschen glauben, der Staat packtes nicht". Den Verdrossenen aber sagt er:"Ihr müsst Euren Ekel überwinden." Weil es,so Noack, "keine Alternative gibt zur Demokratie".