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Autor im Hintergrund: Karl-Heinz Jakobs wird 80

Von Torsten Klaus 16.04.2009, 14:47

Dresden/Velbert/dpa. - 1961 umfasste mehr als nur den Mauerbau. Literarisch stand das Jahr im Zeichen mehrerer wichtiger Bücher.

Im Westen publizierte der zwei Jahre zuvor aus der DDR gekommene Uwe Johnson «Das dritte Buch über Achim», von Günter Grass erschien «Katz und Maus». Im Osten legte Brigitte Reimann mit «Ankunft im Alltag» ihre erste wegweisende Erzählung vor. Dazu kam der vielbeachtete Roman von Karl-Heinz Jakobs «Beschreibung eines Sommers». Reimann und Jakobs machten damals ihren eigenen, unverstellten Blick auf den Sozialismus öffentlich. Karl-Heinz Jakobs, der schließlich im Nachgang der Biermann-Ausbürgerung die DDR verließ und seither in Velbert zwischen Düsseldorf und Bochum lebt, wird am 20. April 80 Jahre alt.

In Jakobs' Roman-Ausgabe in der «DDR-Bibliothek» (1995) schrieb Thorsten Arend in einem Nachwort über die «Ankunftsliteratur» der 60er Jahre à la Reimann und Jakobs: «Die neue Gesellschaft ist bei ihren eigenen Problemen angekommen. Die Literatur handelt davon.» Von der Wichtigkeit der Geschichte Jakobs' um den Bauingenieur Tom Breitsprecher und seine Liebe zur verheirateten Grit Marduk ist der Berliner Literaturwissenschaftler Roland Berbig nach wie vor überzeugt. «Es war ein Schlüsselbuch», sagt er schlicht.

Eins ohne Happy End: Die Partei stellt sich mit ihrer kleinbürgerlichen Moral zwischen die Liebenden. Den beiden fehlen Mut und Kraft, dagegen anzugehen. In der DDR führte das zu lebhaften Leser-Debatten. Christa Wolf lobte das Buch wegen seiner «Lebenswirklichkeit». Jakobs nahm darin eine Konstellation vorweg, die Erik Neutsch in dem berühmten «Spur der Steine» drei Jahre später in ganz ähnlicher Weise aufgriff. Den frühen Erfolg, der sich wie ein Schatten auf sein Werk legte und den er nicht wiederholen konnte, erklärt Jakobs mit der «laxen Art der Darstellung, weit entfernt von der bis dahin dominierenden Lobhudelei». Dennoch sei er sich der Fehler dieses Buches bewusst. «Ich habe bessere Bücher geschrieben, denen aber nicht dieser Erfolg vergönnt war.»

Jakobs legte bislang nicht nur rund 20 Bücher vor, sondern schuf auch ein umfassendes Werk aus Essays, Reportagen, Reiseerzählungen und Features. Sein Vorlass im Literaturarchiv der Berliner Akademie der Künste misst immerhin drei Regalmeter. Geboren wurde Jakobs 1929 - wie beispielsweise auch Hans Magnus Enzensberger, Walter Kempowski, Christa Wolf oder Günter Kunert. Florian Illies widmete dem Jahrgang der Geistesgrößen unlängst einen Beitrag in der «Zeit».

Trotz seines frühen Erfolges blieb der im ostpreußischen Kiauken geborene Jakobs eher im Hintergrund. «Wir neigen dazu, ein literarisches Werk auf Romane, Lyrik und Drama zu beschränken. Eine breite journalistische Leistung wie bei Jakobs wird kaum gesehen», sucht Berbig eine Begründung. Darüber hinaus irritierte der Autor wohl auch: Dass er von 1990 an mehr als sieben Jahre lang die «Sonntagsgeschichte» als Forum für Gegenwartsliteratur wieder in einer Zeitung etablierte, brachte ihm viel Hochachtung ein. Dass diese Zeitung das «Neue Deutschland» war - die einst wichtigste Parteizeitung der DDR, sorgte für reichlich Kopfschütteln. «Ich war der Ansicht, dass die Zeitung etwas gutzumachen hatte denen gegenüber, die weggehen mussten, eingesperrt waren oder nicht veröffentlichen durften», gibt Jakobs Einblick in seine Absichten.

Bei seiner Akteneinsicht fand er 1992 heraus, dass ihn ein enger Freund für die Staatssicherheit bespitzelt hatte. Der Schock saß tief. Mit den Facetten politischer Verfolgung beschäftigte sich Jakobs auch als Autor. 1983 entstand «Das endlose Jahr», ein Buch über die unglaubliche Straflager-Odyssee der deutschen Kommunistin Dorothea Garai. Sie wurde 1937 verhaftet, verbrachte lange Jahre in Lagern und Verbannung, ehe sie 1956 in die DDR ausreiste. Dort wollte niemand ihre Geschichte hören - außer Jakobs. Auch in seinem bislang letzten Roman «Leben und Sterben der Rubina» (1999) lässt Jakobs seine Heldin Lena Rubina eine ähnliche Leidensgeschichte durchleben. Das Thema sei sein Schicksal geworden, resümiert er. «Ich kam zu Erkenntnissen, die mir vorher verschlossen waren.»