Ausstellung Ausstellung: Wider den Zeitgeist - der Maler Georg Paul
MERSEBURG/MZ. - Manchmal dauern Wunder etwas länger. Mehr als 30 Jahre nach seinem Tod erfährt nun der Maler Georg Paul (Foto, 1901-1980) endlich eine erste angemessene Würdigung: Im Merseburger Schloss und einigen Räumen der Kunststiftung ben zi bena, dem Schloss gegenüber gelegen, werden 80 seiner Werke präsentiert. Damit verbeugt sich die Stadt vor einem Maler, der viele Jahre lang in Merseburg lebte und sein Brot als Kunsterzieher und Deutschlehrer verdiente. Das allein wäre aller Ehren wert, doch Georg Paul war im ersten Beruf eben Künstler.
Allerdings einer, der als Anhänger der Moderne gleich in zwei Systemen aus der Zeit fiel und nur in der Inneren Emigration sein Heil finden konnte. Geboren in Wusterbarth, Pommern, studierte Georg Paul in Berlin, wohin die Familie 1918 übersiedelt war, Malerei und Grafik. Emil Orlik, Karl Hofer und Willy Jaeckel waren seine Lehrer und prägten ihn in seiner Kunstauffassung, später kamen Paul Klee, Wassily Kandinsky und Max Ernst als Brüder im Geiste hinzu.
Nazis verbieten Ausstellung
Seit 1925 ist Georg Paul als freischaffender Maler und Grafiker in Berlin tätig, 1934 belegen ihn die Nazis mit einem Ausstellungsverbot. Seine experimentellen Bilder, sowohl den strengen Strukturen des Kubismus als auch surrealistischen Sujets zugeneigt, erfüllen in deren Augen ganz offensichtlich den Tatbestand der "Entarteten Kunst" - ein Kampfbegriff, unter dem die NS-Ideologen letztlich alles bündelten, das freiem Denken zugerechnet werden konnte.
Immerhin darf sich Paul noch als Gebrauchsgrafiker durchschlagen, bis er schließlich in der Rüstungsindustrie "dienstverpflichtet" wird. Und fünf Tage vor Kriegsende verliert er bei einem Bombenangriff nicht nur seine Wohnung in Berlin-Charlottenburg, sondern auch einen Großteil seines Werkes. Georg Paul muss völlig neu beginnen. In Großwilsdorf bei Naumburg, wohin seine Frau und seine 1938 geborene Tochter auf verschlungenen Wegen der Evakuierung gelangt sind, lebt er nun. Er versucht, sich abermals als freischaffender Maler zu etablieren, nimmt auch an Ausstellungen in der halleschen Moritzburg teil. Aber seine Arbeiten passen den neuen Kunstwächtern ebensowenig ins Bild wie den alten, aus Sorge um die Existenz seiner Familie nimmt Georg Paul 1947 schließlich die Stelle des Kunsterziehers an der Merseburger Ernst-von-Harnack-Oberschule an. Dabei wird es bleiben, der Maler lehrt die Kinder, Kunst und Literatur zu verstehen. Dass er selber ein Künstler ist, haben die meisten seiner Schüler niemals erfahren.
Nach Feierabend indes malt Georg Paul wie besessen, ein umfangreiches Werk entsteht - und das, obwohl ihm nicht einmal ein Atelier zur Verfügung steht. Stattdessen muss das Schlafzimmer als Arbeitsstätte dienen.
Mutige Entscheidung
Man kann die Umstände durchaus tragisch nennen. Auf sich gestellt, ohne nennenswerten Austausch, ohne öffentliche Reaktion zu malen, wird zweifellos auch eine Beschränkung der künstlerischen Entwicklung bedeutet haben.
Die mutige Entscheidung indes, sich nicht dem Zeitgeist und den herrschenden Erwartungen an die Kunst zu beugen, hat wiederum Kräfte freigesetzt. Unermüdlich im Spiel mit Farben und Formen kommunizierte Georg Paul zudem natürlich mit der Weltkunst, auch wenn sie ihm als Bürger der DDR nur eingeschränkt zugänglich war.
Häufig tragen seine Bilder nur Genrebezeichnungen als Titel, "Geometrische Komposition" zum Beispiel. Einige Male blitzen aber offener Sarkasmus und bittere Verzweiflung auf. "Etwas unrealistisch" heißt ein Gemälde aus dem Jahr 1964, der Maler belustigt sich über die Kunstdoktrin der SED. Hinter einem der Bilder klebt eine Seite der Bezirkszeitung "Freiheit", auf der lang und breit ein neues Werk von Willi Sitte gefeiert wird.
Und 1962 hat Georg Paul "Die Mauer" gemalt, ein strenges, düsteres Bild, auf dem sich schwarze Gitter vor einen Abendhimmel schieben, der Westen ist nun abgesperrt.
Ab Mitte der 1970er Jahre wurde der Maler Georg Paul endlich wahrgenommen, zumal durch die Leipziger Galerie am Sachsenplatz. Da war er schon im achten Lebensjahrzehnt, bald ließ die Schaffenskraft nach. Nun hat ihn Merseburg wiederentdeckt. Ein neuer Anfang für Georg Paul, abermals.
Bis zum 14. August, tägl. 9-18 Uhr (Schloss) bzw. 10-20 Uhr (ben zi bena).