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Ausstellung Ausstellung: Kein Judenhass in der DDR? Eine Lüge wird besichtigt

Von ANDREAS MONTAG 21.03.2011, 18:33

ERFURT/MZ. - Oder ein Feind. Auf diesem Humus gedeihen Ressentiments gegen Fremde und Fremdes, eine Haltung, die letztlich, und sei es ungewollt, den neuen Nazis hilft, ihren Krieg um die Köpfe der Kinder zu führen.

Natürlich hat es Antisemitismus in der DDR gegeben, in den Kasernen der sogenannten Volksarmee erzählten Vorgesetzte ungestraft widerwärtige Judenwitze, der Spruch "Ich habe Hunger, mir ist kalt, ich will zurück nach Buchenwald" kursierte unter den Soldaten. Den Behörden war das ebenso bekannt wie den Bürgern, aber man hat die Augen lieber davor verschließen wollen. Und als am 20. April 1989 auch in Halle Neonazis Adolf Hitlers 100. Geburtstag auf den Straßen mit Parolen feierten, schloss man die Fenster und hatte wieder mal von nichts gehört.

Vermutlich haben auch die Herren Genossen in Wandlitz gewusst, dass in ihrem Land der Planerfüllung und der Bockwürste sehr wohl Platz für Antisemitismus war. Das Phänomen dürfte altgediente deutsche Kommunisten im Übrigen nicht wirklich überrascht haben, waren sie doch seinerzeit, in den Jahren der Weimarer Republik, selber heftig gegen das Kapital, mithin auch unverblümt gegen jüdische Eigentümer zu Felde gezogen.

Und die stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion, dem Mutterland der sozialistischen Revolution, hatten sich, beginnend in den 1930er Jahren, stets auch gegen Juden gerichtet. Aber das Plakat des Antifaschismus hielt man gleichwohl unerschüttert hoch im Arbeiterstaat, Neonazis und Antisemiten gab es der Propaganda zufolge nur im Westen.

Mit dieser letzten großen Lüge der Funktionäre beschäftigt sich die Schau "Das hat's bei uns nicht gegeben!", die von der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin konzipiert und unter Mitwirkung von Schülern zusammengestellt wurde. Derzeit ist sie in der Kleinen Synagoge Erfurt zu sehen: Eine Tafelausstellung, für die man sich zwar Zeit nehmen muss, aus der man dafür aber klüger entlassen wird.

Von der Geschichte antisemitischen Denkens auch in der Kommunistischen Partei hergeleitet, werden Schicksale wie das von Julius Meyer dokumentiert, der als Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück zum Präsidenten der Jüdischen Gemeinden in Ostdeutschland wurde. 1953 setzte er sich aus Angst vor drohenden Repressalien in den Westen ab, wo man dem SED-Mitglied die Anerkennung als Flüchtling verweigerte. Nach Brasilien ausgewandert, starb Meyer 1979.

Gezeigt wird aber auch der alltägliche, gedankenlose Antisemitismus - so am Beispiel des Jüdischen Friedhofs von Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern. 1959 wurden dort noch sieben von ursprünglich 35 erhaltenen Grabsteinen gezählt, später hat man sie für die Fundamente einer Garage verwendet. Erschreckend sind die Befunde aus den Stasi-Archiven, die Hakenkreuz-Schmierereien und die Existenz nationalsozialistischer Gruppen belegen. Dies passt gut zur Politik einer Partei, die sich antifaschistisch nannte, aber im Staat Israel einen Feind sah, während man pro-arabischen Terroristen wie Carlos Unterstützung gewährte. Das alles hat es bei uns gegeben. Und Früchte getragen.

Kleine Synagoge Erfurt (Nähe Fischmarkt), bis 31. März, Di-So 11-18 Uhr, Eintritt frei.