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Ausstellung im Winckelmann-Museum Stendal Ausstellung im Winckelmann-Museum Stendal: Superman vor Rhodos

Von Andreas Montag 26.09.2003, 16:06

Stendal/MZ. - Das würde dem alten Stendaler Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) wohl gefallen haben: Ein Museum in seinem Geburtshaus, das seinen Namen trägt und sich wie er die Sache der Altertümer auf die Fahne geschrieben hat. Und im Garten steht eine riesige, begehbare Nachbildung des Trojanischen Pferdes: was für ein erfrischend irritierendes Bild. Zum Schaden des Hauses ist es jedenfalls nicht, wenn Neugierige seine Schatzkammern erobern. Und erst recht nicht zu ihrem eigenen.

Wohl liegt das Museum etwas versteckt in einer beschaulichen, ländlich anmutenden Seitenstraße der altmärkischen Stadt. Was es aber in seinen bescheidenen Stuben an geistiger Offenheit zu zeigen hat, scheint als weltläufiger Glanz auf Stendal selbst zurück.

Eben sind es die Weltwunder der Antike, denen eine Ausstellung im Obergeschoss des Hauses nachgeht. Weltwunder - schon die Behauptung des Themas ist ja beinahe eine revolutionäre Tat.

In diesen Tagen, da man sich in hechelnden Hopsern nach immer neuen, immer schneller vergessenen Attraktionen zu strecken lernt, gerät das Staunen anscheinend zu einer Kuriosität für sich. Und bleibt zu unserem Glück trotz alledem eine höchst lebendige Tugend, wie es der Volkstanz um die Sternenscheibe von Nebra bewiesen hat. Der erste Mensch auf dem Mond (falls sich noch jemand daran erinnert), die erste Herztransplation, das Klonschaf Dolly, Dieter Bohlen und Daniel Küblböck - alles in Ehren. Aber dann streckt sich der Koloss von Rhodos spreizbeinig wie ein antiker Superman über den Hafen der Insel und fordert den schuldigen Respekt für sich ein.

In sieben Wunder-Kammern blättern die Gestalter die Geschichte der Rekonstruktionen auf, zu denen schon im Mittelalter, verstärkt aber seit der Renaissance Künstler und Architekten durch das Studium antiker Überlieferungen (und die Betrachtung anderer Rekonstruktionen) inspiriert wurden. Dabei schoss die fantastische Lust am Wiederentdecken umso kräftiger ins Kraut, als mit Ausnahme der ägyptischen Pyramiden alle bezeugten Wunder der Antike verfallen waren oder in Trümmern lagen. Die Pyramiden indes lagen den europäischen Reisenden bis in das 19. Jahrhundert allzu fern.

Anschaulich wie schlicht werden die Wunder und ihre wunderbaren Wirkungen hergezeigt. In jedem Raum ist ein rotes Fähnchen, das den Standort markiert, stabsmäßig auf die Karte gespießt, es gibt eine knappe Erklärung zur Geschichte. Modelle und Deutungen schließlich heben Männer wie Athanasius Kircher (1602-1689) und Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) heraus. Letzterer machte sich als Architekt auch Gedanken um die Proportionen der Kolossal-Statue von Rhodos, die mit flammendem Licht über die Insel gewacht haben soll, während die Schiffe unter ihrem Schritt passierten: "So ist gewiß, daß die Weite der ausgespannten Beine eine größere Höhe erfordert". Ganz der Schönheit und dem Staunen verpflichtet, die auch den Stendaler Schumacher-Sohn Winckelmann so fasziniert haben.

Bis zum 12. Oktober, Mi 10-20, Do-Mo 10-17 Uhr, Tel.: 03931/ 215226