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Ausstellung im Opernhaus Halle Ausstellung im Opernhaus Halle: Auf eine Zigarre mit Bertolt Brecht

Von kai agthe 23.12.2015, 07:35
Herbert Sandbergs bekannte Lithografie „Berliner Ensemble“ (1956)
Herbert Sandbergs bekannte Lithografie „Berliner Ensemble“ (1956) Kunstverein Halle Lizenz

halle (Saale) - Obwohl er in einem Schaukelstuhl sitzt, vermag Bertolt Brecht gleichzeitig eine Zigarre zu rauchen, ein Buch zu lesen und eine Mechanik zu bedienen, mit der er das Logo „Berliner Ensemble“ auf dem Dach des Theaters am Schiffbauer Damm leuchten und um sich selbst drehen lässt. Brecht als Tausendsassa, das ist die satirische Lesart, die Herbert Sandberg für den Dichter fand. Die Lithografie entstand 1956, in Brechts Todesjahr. Die 60. Wiederkehr desselben nimmt der Kunstverein Halle zum Anlass, um im Opernhaus der Stadt Plakate und Grafiken zu Brecht zu zeigen.

Die 1950er Jahre waren, wie die Schau erkennen lässt, eine große Zeit für Brecht und die Rezeption seiner Werke, auch und vor allem in der DDR. Neben Sandberg (1908-1991) haben sich in jenen Jahren auch A. Paul Weber (1893-1980) und Max Schwimmer (1895-1960) mit dem Dichter und seinem Werk auseinandergesetzt. Weber zeigt auf einer Grafik einen jungenhaften „Mackie Messer“, der im Begriff ist, ein halbes Dutzend Würstchen zu verzehren.

Und von Schwimmer ist eine aus kurvenreichen Strichen ausgeführte Lithografie zu sehen, die zwar „Bert Brecht“ heißt, aber angesichts des Sujets ebenfalls an Mackie erinnert: Ein fülliger Kerl im Anzug hält zwei ausgemergelte Frauen im Arm, derweil hinter ihnen ein Hai einen Sprung vollführt und noch weiter hinten ein Segler namens „Bert Brecht“ auf Reede liegt. Auch Willi Sitte (1921-2013) kommt zu Ehren: Teil der Schau im zweiten Rang des halleschen Opernhauses sind sechs Lithografien, die, laut Signatur 1986, zu Liebesgedichten Brechts entstanden und als Mappe erschienen sind. „Baals Lied“ heißt die Grafiksammlung, von der man sich gewünscht hätte, dass neben den Lithografien auch die Gedichte ausgestellt worden wären, die sie illustrieren. Diese Blätter sind so, wie man Sittes Kunst kennt: von altmeisterlichem Duktus und voller Saft und Kraft. Dralle Körper beiderlei Geschlechts, konturiert mit Rötelstrichen und überhöht mit weißen Flächen. Knisternde Erotik, die bisweilen selbst vor pornografischen Eruptionen nicht zurückschreckt.

Wer ein Freund von angewandter Kunst und Typografie ist, wird sich auch an den Plakaten zu Brecht-Inszenierungen nicht sattsehen können. Den Anfang bildet ein Poster zum Stück „Pauken und Trompeten“, das 1955 im Berliner Ensemble (BE), Brechts Heimspielstätte, Premiere hatte. Der Entwurf stammt von Karl von Appen (1900-1991), einem der wichtigsten DDR-Plakatkünstler, und zeigt eine Szene aus dem England des 18. Jahrhunderts.

Von zeitlos-schöner Eleganz sind die Plakate von Karl-Heinz Drescher (1936-2011). Gleich, um welches Stück es sich handelt, seine Entwürfe sind, dank klarer Konturen, von großer Sachlichkeit. Wie etwa die Ankündigung zu „Turandot oder Der Kongress der Weißwäscher“ von 1973. Und noch dort, wo politisches Pathos überwiegt, gelingen Drescher originäre Bildlösungen. So im Fall einer Inszenierung von Brechts „Die Mutter“ am BE: Helene Weigel in der Titelrolle, hält auf dem Foto nachdenklich die rechte Hand an der Wange und in der linken eine rote Fahne.

Mit Helmut Brade (Jg. 1937) und Lutz Grumbach (Jg. 1941) sind auch zwei vorzügliche Grafikdesigner aus Halle mit Arbeiten vertreten. Von diesem sind Plakate zu „Der kaukasische Kreidekreis“, entstanden für das Landestheater Halle, und zu einer Inszenierung von „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ des Neuen Theaters ausgestellt. Einem theoretischen Thema nimmt sich Grumbach an: Auf seinem Blatt wird ein in der oberen Bildhälfte zu sehender schwarzer Körper auf weißem Grund in der unteren gespiegelt und gekontert. Das Plakat verweist durch ein Zitat auf den Verfremdungseffekt in Brechts Epischem Theater.

In dieser Schau kann der Betrachter eine Zigarre lang mit Brecht und seinen Interpreten meditieren. Es wäre jedoch hilfreich gewesen, wenn man nähere Angaben zu den Künstlern und, bei den Plakaten, zu den Jahren, in denen die beworbenen Stücke Premiere hatten, beigefügt hätte.

„Plakate und Grafik zu Bertolt Brecht“, bis zum 24. Januar in der Oper Halle, Universitätsring 24, geöffnet zu den Vorstellungen (mz)

Karl-Heinz Dreschers sachliches Plakat für eine Inszenierung zu „Turandot oder Der Kongress der Weißwäscher“ (1973) am Berliner Ensemble
Karl-Heinz Dreschers sachliches Plakat für eine Inszenierung zu „Turandot oder Der Kongress der Weißwäscher“ (1973) am Berliner Ensemble
Kunstverein Halle Lizenz