Ausstellung Ausstellung: Die Kinder des Dreigestirns
LEIPZIG/MZ. - Ein Gutteil der kuratorischen Oberaufsicht ist in die Hände von Kunstsoziologen gelegt, die im "Sonderforschungsbereich Kulturelle Institutionalisierungsprozesse in der europäischen Moderne" der Technischen Universität Dresden seit vielen Jahren die DDR-Kunst auf ihre personellen und institutionellen Verbindungen untersuchen. Was Karl-Siegbert Rehberg zusammen mit Paul Kaiser und anderen dort an archivalischer Kärrner- und interpretatorischer Deutungsarbeit leisten, verleiht dem Thema viel an historischer Überprüfbarkeit - doch ein Museum hätte noch andere Aufgaben.
Tief greifen die Katalogbeiträge in die Geschichte. Nachkriegs-Kunst in Leipzig wird verdichtet auf den Aufstieg der Leipziger Malerschule. Über deren Ursprünge sollte man Bescheid wissen, um die mit der "Leipziger Schule" assoziierte Malerei und Grafik allegorischer Gegenständlichkeit auf ihre Wurzeln zurückzuführen.
"Dürers Erben"
Nicht umsonst hängt das Gruppenporträt Leipziger Künstler am Anfang, in dem Harry Blume 1961 sich und seine Kollegen Bernhard Heisig, Werner Tübke, Hans-Meyer Foreyt und Heinrich Witz um die Staffelei und ein abseits sitzendes Aktmodell schart.
Dass der Maler heute vergessen ist, wundert nicht angesichts dieses akademischen Bildes. Wie diese Generation zusammenhängt, hätte Lutz Dammbecks Dokumentarfilm "Dürers Erben" von 1996 zeigen können, doch darauf nimmt nur Tilo Baumgärtel mit einem neueren Video ironisch Bezug. Dammbeck gehörte zu den ersten, die nach den Ursprüngen der Leipziger Schule forschten und ließ dabei noch wichtige Zeitzeugen zu Wort kommen. Zudem steht er für den Umbruch der 80er Jahre, der das Gefüge der Leipziger Schule in Frage stellte, weil damals medial und inhaltlich Anderes aufkam.
Dammbeck legte den Kern offen: Die Maler in Blumes Bild waren die Schützlinge Alfred Kurellas. Der einflussreiche SED-Kulturpolitiker wollte mit ihnen ein Künstlerkollektiv nach sowjetischem Vorbild aufbauen. Es kam in vieler Hinsicht anders, aber ohne Kurella ist der Aufstieg Heisigs und Tübkes nicht denkbar. Der gut zehn Jahre dauernde Richtungsstreit, wie an der Leipziger Hochschule der Sozialistische Realismus auszusehen hätte, ist denn auch reichlich ausgeführt. Ideologischer Schwulst ringt mit künstlerischem Ernst, und man erahnt, wie stille Naturen wie Elisabeth Voigt, wie auch abstrakte Richtungen an den Rand gedrängt wurden. Mit dem Schwenk in der Kulturpolitik nach dem 17. Juni 1953 werden Heisig, Tübke und Mattheuer zu Leitfiguren.
Korpsgeist und Individualität
Auf sie gründet die "Genealogie" der Leipziger Schule, die sich stets aus ihren Meistern und Schülern rekrutiert, - eindrucksvoll versinnbildlicht durch eine Galerie von Selbstporträts, die den letztlich unlösbaren Konflikt von Korpsgeist und Individualitätsanspruch spiegeln. In den Blick rücken auch einschneidende Ereignisse. Rekonstruiert wird der zaghafte Versuch der Gruppe "Action Fotografie", Zeitkritik dokumentarisch zu formulieren. Groß dargestellt ist aber der Auftritt des Leipziger Dreigestirns (mit Willi Sitte) auf der "Documenta" von 1977.
Was dort als der Durchbruch der "Viererbande" und der DDR-Kunst generell erscheint, birgt aber auch die Reaktion der 80er Jahre in sich. Dazu hat die Ausstellung deprimierend wenig zu sagen. Der subversive "Leipziger Herbstsalon" von 1984 und die Positionen der letzten Generation von DDR-geprägten Leipziger Künstlern wie Hans-Hendrik Grimmling, Lutz Dammbeck, Günther Huniat und anderen sind mit dem Etikett "Gegenkultur" nicht zu greifen, ihre internationale Wahrnehmung etwa auf der Biennale von Sao Paulo 1985 wird nicht erwähnt, während die Kunstkäufe Peter Ludwigs groß herausgestellt werden.
Vielleicht bleibt der Ausbruch der Leipziger Schule in viele mediale Richtungen zu dieser Zeit so wenig sichtbar, weil die irgendwie wahllos zusammengestellte Parade von Helden der "Neuen Leipziger Schule" im Obergeschoss partout den Mythos von der Hochburg der Malerei weiterspinnen soll.
Ausstellung bis zum 10. Januar, Di, Do-So 10-18, Mi 12-20 Uhr