Ausstellung des Künstlers Christo in Berlin Ausstellung des Künstlers Christo in Berlin: Als der Reichstag zwei Wochen verhüllt war

Christo ist gerade 80 Jahre alt geworden, aber munter wie eh und je. Begeistert umarmt der Künstler den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, als er ihn am Mittwoch genau 20 Jahre nach der spektakulären Verhüllung des Reichstagsgebäudes in Berlin dort wiedertrifft. Diesmal im Inneren des Gebäudes, auf der sogenannten Präsidialebene, die künftig die Christo-Ebene sein wird.
Der einzige authentische Ort
Denn hier sollen ab Herbst jene Dokumente, Objekte und Fotografien ausgestellt werden, die den langen Weg des Projekts von der Idee bis zur Realisierung im Juni 1995 belegen. Wirklich öffentlich ist die Ausstellung allerdings nicht: Nur spezielle Besuchergruppen können an Führungen durch die Kunstsammlung des Bundestags teilnehmen. Gezeigt werden 380 Objekte („Alle Stücke sind echt, da gibt es keine Reproduktionen“, so Christo), die der Unternehmer Lars Windhorst Christo abgekauft und dem Bundestag als Dauerleihgabe für 20 Jahre zur Verfügung gestellt hat. „Damit sie an dem einzigen authentischen Ort gezeigt werden können, wo sie hingehören“, wie Windhorst sagt.
Dem denkwürdigen Beschluss des Bundestages über die Verhüllung im Februar 1994 war eine über 20 Jahre währende Auseinandersetzung vorausgegangen, ob das ehrwürdige Reichstagsgebäude an der Berliner Mauer, dieses Symbol der deutschen Geschichte, Objekt einer Kunstaktion sein darf. Immer wieder lehnten vor allem christdemokratische Politiker das Ansinnen des in den USA lebenden Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude ab, darunter Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble.
Mühsame Lobbyarbeit
Zeitweise nahm die Debatte Formen eines Kulturkampfes zwischen den Konservativen und den Liberalen an. Nach dem Mauerfall und der Entscheidung, dass Berlin Hauptstadt wird und der Bundestag in den Reichstag zieht, entfaltete sie dann eine neue Dynamik. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth von der CDU/CSU bot Christo 1991 ihre Unterstützung an. Er machte sich mit seiner Frau an eine mühsame Lobbyarbeit und sprach mit jedem einzelnen der über 600 Abgeordneten.
Lammert, der zu den frühen Unterstützern zählte, wiederholt noch einmal das zentrale Argument jener Tage: Die Chance, dass das historisch kontaminierte Reichstagsgebäude durch seine Verhüllung und die anschließende Enthüllung eine Transformation, eine Wiedertaufe erfahren könne.
Damals ging es auch um die Frage, welches Signal die Rückkehr der Politik in die alte Hauptstadt – in der nicht zuletzt Holocaust und Zweiter Weltkrieg geplant worden waren – senden sollte: Restauration alten deutschen Vormachtdenkens oder Aufbruch in eine neue weltoffene europäische Metropole. Viele sahen in dem Projekt die Chance, die verhängnisvolle Geschichte demonstrativ zu brechen.
Die Verhüllung wurde dann ein sensationeller Erfolg. Fünf Millionen Menschen besuchten den Reichstag in jenen 14 verzauberten Tagen, die Berlin in einen ästhetischen Ausnahmezustand versetzten, wie Lammert es formuliert.