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Ausstellung Ausstellung: August der Starke mal ohne Perücke

27.06.2002, 07:49
Thomas Reimann
Thomas Reimann ZB

Dresden/dpa. - 50 Glasköpfe schuf Reimann für die Ausstellung «Spiegelungen», dieauf der Burg Stolpen in der Nähe von Dresden bis zum 1. September zusehen ist. Die Auswahl der porträtierten Wissenschaftler, Künstlerund Politiker verblüfft zunächst. Reimann spricht von einer«Bauchentscheidung», mit der er eine Idee aus dem Herbst vergangenenJahres Wirklichkeit werden ließ. «Ich wollte Menschen nachspüren,deren Wirken, deren Erfindungen oder Taten prägend für die Gegenwartsind.» Dass der 48-Jährige zu jedem seiner Werke eine Geschichteparat hat, versteht sich nach den Recherchen in Büchern und Internetvon selbst.

Die oft farbigen, etwa 40 Zentimeter hohen Köpfe - sie zeigenüberwiegend Männer - sind satiniert, teilweise versilbert odervergoldet, bemalt oder mit Schriftzügen versehen. Zuvor fertigte erTonmodelle und schließlich Gipsabdrücke, in die dann Glas geblasenwurde. In das Porträt von Conrad Röntgen ragt zum Beispiel das Abbildeiner durchleuchteten Hand. Der Kopf von Käthe Kruse ist mit einerPuppe bestückt. Die Augen des Erfinders der Anti-Baby-Pille - GregoryPincus - sind mit Pillen versehen. «Das Porträt von Dunlop hat mir ammeisten Spaß gemacht», erzählt Reimann. Der Kopf von John Boyd Dunloperhielt einer seiner Erfindungen gemäß auf der Stirn den Abdruckeines Reifens. «Den habe ich damals vom nächstbesten Auto genommen.»

«Erstaunlich ist, dass die Besucher oft nur wenig aus ihrem Alltagkennen», meint Reimann und verwickelt Gäste unkompliziert in einGespräch. So erzählt er von August dem Starken, der sich bei ihm ohnedie übliche Perücke zeigt. Vorlage war das Foto eines Wachsabgussesvon Augusts Gesicht, das er in einem Buch entdeckte. Auf dem nacktenKopf vermerkte der Künstler: «Gründer der barocken Perle Dresden.» Ersetzte auch dem Erfinder der Sicherheitsnadel, des Jenaer Glases oderdes Wegwerffeuerzeuges ein Denkmal in Glas. Ein einziger Kopf isteinem noch lebenden Menschen gewidmet: Der Inder Narinder S. Kapanyerfand den Lichtwellenleiter.

Sein Handwerk erlernte Reimann als Student an der Hochschule fürKunst und Design Burg Giebichenstein in Halle. Gefragt, weshalbReimann als gebürtiger Weimarer nicht auch Goethe oder Schillerverewigt hat, zuckt er zunächst mit den Schultern. «Die kennen diemeisten», winkt er schließlich ab. Und verweist darauf, dass er mitden Glasköpfen längst noch nicht abgeschlossen hat. «Ich könnte mirzum Beispiel eine Serie über Frauen vorstellen», blickt er nach vorn.Die könnte dann rein aus Glas bestehen. «Denn die Angst vor demMaterial habe ich verloren.»