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ARD-Film ARD-Film: Warum machen manche Mütter ihre Kinder krank?

Von Reinhard Kleber 23.01.2008, 07:20
Eine verlassene Kinderschaukel steht vor einem Haus. (Foto: dpa)
Eine verlassene Kinderschaukel steht vor einem Haus. (Foto: dpa) dpa

Köln/ddp. - Dieses rätselhafte Phänomen steht im Mittelpunkt des bewegendenFamiliendramas «Schattenkinder» von Claudia Prietzel und PeterHenning, das die ARD am Mittwoch (23. Januar, 20.15 Uhr) zeigt.

Bei einer Schultheatervorführung bricht die kleine Agnes (LuiseTabea von Cossart) zusammen und stirbt kurz darauf im Krankenhaus.Die Ärzte sind ratlos: Sie finden keine Todesursache. Diealleinerziehende Mutter Sandra (Beata Lehmann) wirft den Ärzten vor,die lange Krankengeschichte von Agnes nicht ernst genommen zu haben.Auch Sandras Schwester Christiane (Karoline Eichhorn), die gerade voneinem Einsatz als Fotografin aus dem Ausland zurückgekehrt ist, isterschüttert. Sie versucht, der trauernden Sandra beizustehen, dochdiese verbittet sich alles, was sie als lästige Einmischung ansieht.

Weder Christiane noch ihr stoischer Vater Karl (Christian Grashof)bemerken zunächst, dass sich die Krankheitsgeschichte bei Sandraszweiter Tochter Therese (Amber Bongard) zu wiederholen scheint. AlsChristiane nach einiger Zeit Thereses Zustand zufällig dochmitbekommt, wird sie misstrauisch. Sie will den rätselhaftenKrankheitssymptomen auf den Grund gehen. Dennoch verstreicht vielZeit, bis ihr klar wird, dass Sandra selbst krank ist: Sie leidetunter einer psychischen Störung und ist anscheinend mitverantwortlichfür die Erkrankungen ihrer Töchter. Die Lage spitzt sich zu, alsThereses Gesundheitszustand sich rapide verschlechtert.

Der Film thematisiert das so genannteMünchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Bei dieser seltenen Störungtäuschen Mütter bei ihren Kindern Krankheitssymptome vor, erzeugendiese künstlich oder verschlimmern sie absichtlich. Die Frauenversuchen, durch die Aufnahme des Kindes ins Krankenhaus und dienachfolgenden vielen Untersuchungen oder Operationen, Aufmerksamkeitauf sich zu ziehen. Zugleich sehnen sie sich nach dem Gefühl desAufgehobenseins und der Anerkennung durch medizinische Autoritäten.

Erfreulicherweise vermeidet das Regieduo plakative Schockeffekteund vordergründige Schuldzuschreibungen, setzt vielmehr auf einedifferenzierte Beschreibung der zwiespältigen Charaktere. Diebetroffenen Mütter seien keine «kaltblütigen Täterinnen», sagtPrietzel. «Sie glauben tatsächlich daran, aus Liebe zu handeln.» Andem Stoff habe sie besonders gereizt, das Offensichtliche zuhinterfragen: «Indem ich die Täter ernst nehme, nehme ich auch dieOpfer ernst.»

Unter der Regie der Grimme-Preisträger Prietzel und Henninggelingt es der Hauptdarstellerin Beata Lehmann, die Verstörung derTäterin anschaulich zu machen. Aber auch Karoline Eichhorn zeigtüberzeugend, wie schwierig es selbst für nahe Angehörige ist,geschickt vertuschte Misshandlungen zu entdecken und zu beweisen.Schade nur, dass sich das Drehbuch des sensiblen Films, der imAuftrag des WDR entstand, einige unnötige Schnitzer leistet: Warumzum Beispiel schlägt die Ärztin, die nach der Behandlung von AgnesVerdacht schöpft, nicht schon viel früher Alarm? Und warum lässtChristiane die von ihr gefundene Flasche mit einem verdächtigenWirkstoff nicht sofort untersuchen?