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Architektur Architektur: Villa van de Veldes wurde renoviert

10.12.2001, 15:58
Villa Esche vor und nach der Sanierung
Villa Esche vor und nach der Sanierung dpa

Chemnitz/dpa. - Chemnitz, die nicht gerade mit architektonischen Besonderheitengesegnete alte sächsische Industriestadt, betont seit Monaten diegroße Bedeutung der Jugendstilvilla, die für Außenstehende gar nichtsBesonderes zu sein scheint. Das Haus mit seiner gelb getünchtenFassade gibt seine Schönheit erst im Inneren preis. Van de Velde,auch gern als «Vater des modernen Designs» bezeichnet, strebte imChemnitz der Jahrhundertwende einen «Entwurf fürs Leben» an.

Er verwirklichte mit der Villa konsequent die Idee vomGesamtkunstwerk - eine Vision, die sein späterer Weimarer SchülerWalter Gropius (1883-1969) bei seinem Bauhauskonzept in Dessauumsetzte. Van de Velde entwarf für seinen Freund Esche, den damalsgrößten deutschen Strumpffabrikanten, nicht nur das Haus, sondernauch Möbel, Lampen, Geschirr, Visitenkarten und sogar dieTabakspfeife. Esche galt als feinfühliger Kunstliebhaber und wurdevon Edvard Munch porträtiert.

Die ganze Schönheit der Villa ließ sich vor knapp drei Jahren nurerahnen. Die Familie Esche verließ das Domizil am Ende des ZweitenWeltkriegs. Damals erkor sich die sowjetische Militärkommandantur dasnur wenig von den starken Bombenangriffen getroffene Gebäude alsSitz. Von 1952 bis 1964 hauste dort die Staatssicherheit, dieoffensichtlich wenig mit der Kunst van de Veldes im Sinn hatte. Siebaute kurzerhand einen Kinosaal im Erdgeschoss ein und zerstörtedamit wesentliche Elemente von Musiksalon und Esszimmer. Späternutzte die Handwerkskammer das Gebäude, zog aber 1989 aus.

«Als wir das Gebäude 1998 besichtigten, fanden wir übermalte undfeuchte Wände vor», sagt die Architektin Kerstin Bochmann, «dieGlasscheiben der Fenster waren kaputt.» Die Fassade bröckelte. Damalskaufte die städtische Grundstücks- und Gebäudegesellschaft das Hausvon der Erbengemeinschaft Esche, um es für zehn Millionen Mark (5,11Millionen Euro) renovieren zu lassen. Nicht wenige Chemnitzer sahenin der Renovierung ein sinnloses Unterfangen.

«Wir hatten den glücklichen Umstand, dass der Zustand der altenVilla gut dokumentiert ist», erläutert Bochmann. Esche war selbstbegeisterter Hobbyfotograf und hatte sogar eine Dunkelkammer inseinem Haus. Dadurch sind viele Bilder von Details der alten Villaerhalten geblieben. So konnte ein Expertenteam um den ArchitektenWerner Wendisch die Villa originalgetreu wieder herstellen.Beispielsweise wurden Lampen nach alten Fotos maßstabsgetreunachgebaut. So können Besucher heute das ornamentale Oberlichtfensterbestaunen. Geschnitzte Treppengeländer, geschmiedete Terrassengitterund Ornamente machen das Gesamtkunstwerk des Jugendstils aus.

Ein Teil der Villa wird künftig als Museum genutzt - alsDependance der Städtischen Kunstsammlungen. Möbel undAlltagsgegenstände von van de Velde sind dort zu sehen. DieKunstsammlungen hatten sie über Jahre hinweg durch Aufkäufe undSchenkungen zusammengetragen.