Architektur Architektur: Viele staunen über Chipperfields Museum

Essen/dpa. - Der britische Stararchitekt David Chipperfield hat für das heute in Essen beheimatete Museum Folkwang ein neues Haus entworfen, das nicht weniger staunen lässt.
In nur zwei Jahren ist ein Gebäude entstanden, dessen klareFormensprache das Raumgebilde aus versetzten Kuben und hellenInnenhöfen zum sicherlich eindrucksvollsten Museums-Neubau derNachkriegszeit im Westen macht. Der 56-jährige Chipperfield, derseine Komposition aus Licht und rechten Winkeln ganz der künftigenKunstpräsentation untergeordnet hat, zeigt sich einmal mehr alslegitimer Enkel des stilbildenden Bauhauses.
Am 30. Januar soll nun das neue Kunstmuseum, das auf Initiativedes Industriellen Berthold Beitz (96) von der Krupp-Stiftung alseinzigem Förderer mit 55 Millionen Euro ermöglicht worden ist, seineTüren öffnen. Dass der technisch wie ästhetisch höchst anspruchsvolleBau exakt im Rahmen der vorgegebenen Kosten und Zeitplanung pünktlichzum Auftakt des Kulturhauptstadt-Jahres im Ruhrgebiet realisiertwerden konnte, kommt einem kleinen Wunder gleich - und ist nichtzuletzt dem trickreichen Umgehen bürokratisch-kommunaler Hindernissezu verdanken.
Rund 6200 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen jetzt, nach demAbbruch eines unschönen Museumsbaus der 80er Jahre, für die Sammlung,für Wechselausstellungen und das umfangreiche Deutsche Plakat Museumzur Verfügung.
Am 20. März öffnet die erste Sonderausstellung, die unter demTitel «Das schönste Museum der Welt» die Folkwang-Sammlung vor 1933rekonstruiert und zahlreiche von den Nazis als «entartet» diffamierteBilder aus aller Welt erstmals wieder nach Essen bringt (bis 25.Juli).
Kern des Folkwang-Neubaus war der erhaltene, mittlerweiledenkmalgeschützte Museumsbau der 1960er Jahre, dessen Maß und Modulsich der Brite, wie schon zuvor bei der historischen Substanz desNeuen Museums in Berlin, bescheiden unterworfen hat. Vier verglasteInnenhöfe bringen viel Tageslicht in das weitläufige, durchwegebenerdige Raumensemble, das sich vom Foyer aus dank großzügigerSichtachsen bereits auf den ersten Blick erschließt. «Man will sichverlieren, man will sich aber auch orientieren», beschreibtChipperfield das Paradox moderner Museumsarchitektur.
«Das Gebäude ist konzipiert wie ein kleines Dorf mit Plätzen undHäusern», erklärt der Architekt der Deutschen Presse-Agentur dpa. Dagehört der raffiniert belichtete Wechselausstellungssaal mit allein1400 Quadratmetern schon eher zu den größeren «Dorf-Häusern». Mattspiegelnder Estrichboden, je nach Lichteinfall unterschiedlichsamtig-hellgrau wirkende Wände und große, fast immer zu den wenigenumgebenden Bäumen geöffnete Fenster markieren das von Funktion undSchönheit geprägte Museums-Innere.
Die Außenfront ist mit ihrer gletschereis-grünen Fassade auswiederverwendetem Industrieglas absolut unverwechselbar. Gleichzeitigscheint das Quader-Gefüge an der vielbefahrenen Bismarckstraße fastzu schweben: Auch um das leicht abschüssige Gelände auszugleichen,stellte Chipperfield sein Museum wirkungsvoll auf einen hellen Sockelaus sandgestrahltem Beton.
Um die Idee des Museums als öffentlicher Raum, alsBegegnungsstätte aller Bürger, zu unterstreichen, öffneteChipperfield sein Haus mit einer breiten Freitreppe zur InnenstadtEssens. Eine einfache Glaswand säumt den einladenden, weitläufigenEingangshof und dämmt den Lärm der vorbeibrausenden Autos.
(Internet: www.museum-folkwang.de)