Architektur Architektur: Rumänische Baukunst in Tschechien

Prag/dpa. - Wer durch das tschechische Most (Brüx) fährt, wähntsich neuerdings in Transsylvanien. Am Rande der Stadt, gleich nebender historischen Dekanatskirche, ragt ein spitzer Holzturm hervor. Esist die neue orthodoxe Kirche der Stadt, die den alsUnesco-Weltkulturerbe anerkannten Holzkirchen der rumänischen RegionMaramures nachempfunden ist. Die Kirche in Most, nur ein paarKilometer von der Grenze zu Sachsen entfernt, wird erst im Frühjahrgeweiht, ist aber schon jetzt ein Blickfang in der sonst rechtmonotonen Plattenbausiedlung.
Das an Dracula-Legenden erinnernde Baukunstwerk ist ein Geschenkaus Rumänien. «Diese Kirche zieht mit Sicherheit jeden Besucher vonMost an», sagt der örtliche Pfarrer, Ivan Hadrava. Ein befreundetesKloster in Barsana lieferte der tschechischen Gemeinde das Holz ausdem klostereigenen Wald. Auch die Konstrukteure reisten von dort an,denn die Holzbauweise ist ein rumänisches Unikat.
Ganz ohne Nägel oder Schrauben sind die Balken der Kircheineinander verzapft. Die abwechselnde Verwendung unterschiedlicherHolzarten, die sich verschieden ausdehnen, sei das Geheimnis dieserKirchen, die selbst eisigsten Wintern und stärksten Stürmenstandhielten, erklärt Hadrava. «Die einen Balken nehmen Feuchtigkeitauf und die anderen quellen auf, so dass sie eine feste Verbindungeingehen», sagt der Pfarrer.
Gleich neben der Kirche soll ein Denkmal für die rumänischenSoldaten entstehen, die während des Zweiten Weltkriegs im Kampf gegenNazi-Deutschland auf dem Gebiet der Tschechoslowakei fielen. Die Zahlder rumänischen Gefallenen gehe in die Zehntausende und noch gebe esfür sie keinen Ort des Gedenkens, sagt Hadrava. Ein kleines Klostersoll das Ensemble in Zukunft vervollständigen und Pilger versorgen.
Noch trifft sich Hadravas Gemeinde in den Räumen einer Stadtvillaam Burghang von Most. Die Lage am Fuße eines Weinbergs ist idyllisch,die Ikonen glänzen golden von der Wand und Kerzenlicht erhellt denSaal. Die damalige kommunistische Führung stellte die Villa in den70er Jahren aus ganz anderen Gründen zur Verfügung. «Die Kirchesollte möglichst weit entfernt von der neuen Plattenbaustadt sein»,erklärt der Pfarrer. Die alte russisch-orthodoxe Kirche von Mostmusste wie die gesamte Altstadt dem Braunkohletagebau weichen. Alleindie katholische Dekanatskirche wurde in einer spektakulären Aktion imJahr 1975 auf Schienen um 850 Meter verschoben.
Nach mehr als 30 Jahren sollen Rumänen, Ukrainer, Russen, Serbenund Tschechen nun wieder in einer richtigen Kirche Gottesdienstefeiern können. Bis zu 60 Gläubige besuchen sie regelmäßig. Insgesamtzählt die Gemeinde etwa 300 Mitglieder. Das ist viel in Tschechien,einem stark atheistisch geprägten Land. Von der neuen Kircheverspricht sich der Pfarrer noch mehr Besucher. «Es werden mehrGläubige die Kirche besuchen, weil dieser Ort schöner und besserzugänglich ist», sagt Hadrava.
Viele orthodoxe Gläubige kommen aus der Ukraine, Serbien undanderen Ländern nach Tschechien, um hier Arbeit zu finden. Unter denGemeindemitgliedern sind aber auch Tschechen, die meist bei derHeirat den Glauben ihres Ehepartners angenommen haben. PriesterHadrava selbst ist ohne Glauben aufgewachsen, wie er sagt. Nach einerErfahrung der Berufung habe er sich wegen der «strengerenOrdensregeln» für den orthodoxen Glauben entschieden.
Der tschechische Metropolit Krystof wird die Holzkirche, die ineinem unglaublichen Tempo in die Höhe wuchs, im Frühjahr weihen. Erstim August war mit dem Bau begonnen worden. Jetzt fehlen noch dieFenster und Teile der Innenausstattung, denn das Mutterkloster in derrumänischen Region Maramures ist eingeschneit. «Wir warten darauf,dass es in Rumänien etwas wärmer wird und sie mit ihren zwei kleinenLastwagen aufbrechen können», sagt Hadrava.