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Architektur Architektur: Museum in Dresden widmet sich den DDR-Plattenbauten

08.07.2004, 08:43
Im Dresdner Stadtteil Johannstadt entstand das erste Plattenbaumuseum. Das «Micromuseum Betonzeitschiene» mit geschichtlichen Sachzeugen dieser Epoche des Wohnungsbaus eröffnet am Samstag (10. Juli 2004) auf dem Gelände eines ehemaligen Plattenwerkes. (Foto: dpa)
Im Dresdner Stadtteil Johannstadt entstand das erste Plattenbaumuseum. Das «Micromuseum Betonzeitschiene» mit geschichtlichen Sachzeugen dieser Epoche des Wohnungsbaus eröffnet am Samstag (10. Juli 2004) auf dem Gelände eines ehemaligen Plattenwerkes. (Foto: dpa) dpa

Dresden/dpa. - Knapp 15 Jahre nach dem Fall der Mauer kommen die Plattenbauten der DDR zu musealen Ehren. In einem von Hochhäusern dominierten Dresdner Stadtteil wird am Samstag das erste Museum für die größte Errungenschaft des sozialistischen Wohnungsbaus eröffnet.Ein «Lichtkunstwerk» soll die Premiere erhellen. Der irische Künstler Ruairí OBrien hat seine Schöpfung «schwarzrotgold01» genannt.

Werner Ehrlich, der eigentliche Erfinder des Plattenmuseums, sieht das Projekt etwas schlichter. Sieben Jahre hat es von der ersten Idee bis zur Realisierung gedauert - weit länger alsdie Entstehungszeit einer «Platte» im real existierenden Wohnungsbau. «Am Anfang bin ich belächelt worden. Es gab auch böse Stimmen. Doch jetzt herrscht Neugier und Sympathie vor», erzählt der 56-Jährige.

Auch die Einstellung zum Leben im Plattenbau hat sich vermutlichgeändert. Früher wurden die Wohnungen als «Arbeiterschließfächer»oder «Wohnklo mit Kochnische» verspottet. Dem Dichter Volker Braunwird die Äußerung von der «Fickzelle mit Warmwasseranschluss»unterstellt. Doch die «Platte» - zumindest in sanierter Form -scheint besser als ihr einstiges Image.

«In den Häusern von Dresden-Johannstadt gibt es nur 4 ProzentLeerstand», sagt Ehrlich und verweist auf die Vorzüge: Kosten, guteGrundrisse und im Fall von Johannstadt auch die günstige Lage in Nähevon Elbe und Zentrum. Viele Neubaugebiete in Ostdeutschland führtenaber am Stadtrand ein Schattendasein. Heute bleiben dort abends vieleFenster dunkel. Nach Schätzungen stehen rund 300 000 Wohnungen leer.

Männer wie Ehrlich sind der «Platte» wohlgesonnen. «Das ist keineIdeologie, das ist Technologie», sagt der Dresdner, der sich gernKulturarbeiter nennt. Vor ein paar Jahren war er vom damaligenDresdner Kulturdezernenten nach Johannstadt entsandt worden, um die«Schlafstadt» zu wecken. Die Industriebrache eines Plattenwerkesschien Ehrlich der rechte Ort.

Künftig sind dort auf einer Fläche von etwa 1500 QuadratmeternZeugnisse der Plattenbaukunst zu bewundern. Im ehemaligenPförtnerhäuschen des Werkes will Ehrlich einen Informationsstandeinrichten. Dort sollen Interessenten irgendwann einmal ihrepersönliche Betonplatte produzieren können - «so wie in der BackstubeOma die Plätzchen gebacken hat», sagt der Museumsgründer.

Architekt OBrien, der die Konzeption des Museums schuf, drücktsich opulenter aus als die Schlichtheit der Expoante vermutenlässt: «Nicht um (n)ostalgische Verklärung der Platte geht es hier,vielmehr um Entwicklungsprozesse, um die Analyse, das Zerlegen undSichtbarmachen durch Neuzusammensetzen architektonischer Elemente, umdas genaue Beschauen der Welt im Großen ...», schreibt der Künstler.

Werner Ehrlich möchte emotionslos über die Geschichte der Platteberichten: «Das ist ja eigentlich eine Bauhaus-Idee». Der Plattenbauist keine Erfindung der Ostdeutschen. Schon in den 30-er Jahren wurdein Frankreich «in Platte» gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah sichder Osten Deutschlands mit seinen Zerstörungen zum schnellen Handelnveranlasst. Eine Alternative zum Plattenbau wurde ausgeschlossen.

«Anders wäre die Wohnungsnot gar nicht zu lindern gewesen», istsich Ehrlich sicher. Als Zusatz für die in Stahlrahmen gegossenenBetonplatten wurden gemahlene Trümmersteine aus zerstörten Städtenwie Dresden und Magdeburg genutzt. 1948 gab es in Ostberlin dieersten Testbauten. Ab Mitte der 50-er Jahre entstanden in Hoyerswerdaund anderswo in großem Stil Plattenhäuser.

Je nach Typ trugen sie Kürzel wie «WBS 70» (Wohnbauserie 70) oderWHH 15 (Wohnhochhaus 15). In Berlin gab es Häuser mit 21 Etagen, inDresden wurde nur bis zum Stockwerk 17 gebaut. Die Ein- bis Fünf-Raum-Wohnungen waren begehrt und erschwinglich. Eine 80 Quadratmetergroße Behausung kostete etwa 70 Ost-Mark. Die Mieter kamen aus allensozialen Schichten. Der Nachbar der Klofrau konnte Professor sein.