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Architektur in Berlin Architektur in Berlin: Ein Hauch von Welt

Von Roland Mischke 15.11.2015, 21:49
Dieter Urbachs Collage zeigt das Ostberliner Palasthotel nach einem Entwurf von Ferenc Kiss. Es wurde 1976 eröffnet und 2001 abgerissen.
Dieter Urbachs Collage zeigt das Ostberliner Palasthotel nach einem Entwurf von Ferenc Kiss. Es wurde 1976 eröffnet und 2001 abgerissen. Dieter Urbach Lizenz

Berlin - Es gibt weltweit Tausende Entwürfe von Architekten, die nie realisiert wurden. Diese 18 Entwürfe aber, die zur Zeit in der Berlinischen Galerie im Zentrum der Hauptstadt zu besichtigen sind, sind in Stein und Stahl umgesetzt worden. Allerdings fast nie so, wie sich das die Entwurfszeichner gedacht hatten. Einige gehörten dennoch zu den wichtigsten Vorzeigebauten der DDR. Die sollte eine repräsentative Hauptstadt haben, das war ein starkes Bedürfnis des nach internationaler Anerkennung strebenden SED-Politbüros.

Manche dieser Bauten davon passten aber nicht mehr in die Zeit nach dem Mauerfall - wie etwa das Palasthotel, das 2001, und den Palast der Republik, der 2008 abgerissen wurde - mit ihren neuen Planungen. Sie gerieten mehr oder weniger in Vergessenheit. Jetzt zeigt sich, dass sich darunter kühne Architekturideen für den Aufbau des Ost-Berliner Zentrums befinden. Die Dokumente lagerten fast 40 Jahre in Depots, waren großteils in schlechtem Zustand und konnten erst durch die Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Reemtsma Stiftung, aber auch anderer Stiftungen, restauriert werden. Nun sind sie zu besichtigen.

Traum von der Metropole

Die Schaubilder des Grafikers und Architekten Dieter Urbach, Jahrgang 1937, zeigen Großbauvorhaben der Nachkriegsmoderne. Sie belegen als idealisierte Stadtansichten beispielhaft und anschaulich das damalige Verständnis von repräsentativer Bauweise der realsozialistischen Epoche. Angesehene DDR-Architekten, etwa Heinz Graffunder oder Josef Kaiser, wollten in den 1970er Jahren die immer noch teilweise verwüstete Stadt als hochmoderne Metropole wiederaufleben lassen.

Sie erstellten aufwendige Collagen mit dem Einsatz verschiedener Materialien von der Freiraumgestaltung vor dem Fernsehturm, dem Großen Saal im Palast der Republik oder dem Palasthotel an der Spree, um die führenden Funktionäre der SED zu überzeugen. Die Collagen waren ausschlaggebend für die Einwilligung zur Planungsausführung durch die von der Staatspartei gesteuerten Stadtplaner. Dieter Urbach verwendete vorhandene Fotografien, aber auch Ausschnitte aus Zeitschriften sowie Tusche- und Bleistiftzeichnungen. In die Bilder montierte er Einzelpersonen vor den Entwürfen zu Neubauten und der zu umbauenden Stadtlandschaft. Das ist zwar Nutzgrafik, zeigt aber noch einmal, was den seinerzeit Herrschenden wichtig war. Sie wollten eine Aufbruchssymbolik.

Aus den Collagen entstanden die eigentlichen Kunstwerke als Schwarz-Weiß-Abzüge oder Farbdias, mit denen die Mächtigen beeindruckt werden sollten. Reproduktionen gelangten auch in die Tages- und Fachpresse, damit das Volk stolz sei auf seine wohltätige Regierung. Die historische Bedeutung dieser Dokumente besteht darin, dass ein Staat mit chronischer Mangelwirtschaft groß, ja, spektakulär bauen wollte. Wie in vielen ideologischen Systemen in der Geschichte sollten auch hier Idealvorstellungen verwirklicht werden und für die Überlegenheit des Systems stehen. Das nutzten die miteinander konkurrierenden Architekten aus, indem sie kühn ans Werk gingen. Für die Umsetzung verließ man sich nicht auf VEB-Qualität, es wurden Experten aus Schweden, Japan und anderen Ländern angeheuert.

Vorstufen der 3D-Animation

Die historische Bedeutung dieser fotorealistischen Raumdarstellungen besteht darin, dass die damals enorm aufwändigen manuellen Herstellungen nur äußerst selten praktiziert wurden. Man arbeitete allerdings mit Fotopapieren und Klebstoffen minderer Qualität, so dass die Dokumente stark in Mitleidenschaft gezogen waren, als man sie entdeckte. Dennoch sind sie ein Vorläufer der in der heutigen Bauplanung üblichen 3D-Animationen.

Kunst auf Lager: In der ständigen Berlin-Kunst-Abteilung der Berlinischen Galerie, Berlin-Kreuzberg, Alte Jakobstraße 124-128, Mi-Mo 10-18 Uhr. (mz)