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Architektentag Architektentag: Geschrumpfte Debatte

Von Günter Kowa 24.09.2001, 15:27

Leipzig/MZ. - Es fehlt ja nicht an Zündstoff. Bewaffnetmit dem Zahlenwerk aus der Expertenkommission,die den "Leerstand" zum Thema ausgerufen hat,fordert Biedenkopf "neuen Realismus". DieStädte müssen sich einrichten, sagt er: aufdie nächste große Leerstandswelle im Zugeder geburtenschwachen Jahrgänge, und auf dieunaufhaltsame Alterung der Gesellschaft. KarlGanser beschwört den Abschied von der "abendländischenStadt". Den Bevölkerungsrückgang hält er fürdie "Normalsituation", nicht nur im Osten,sondern auch im Ruhrgebiet oder in Rhein-Main:"Es gibt kein ewiges Wachstum."

Ganser bleibt seinem Image treu, ein "agentprovocateur" des postindustriellen Zeitalterszu sein. Es hagelt Kritik an Stadt-und Raumplanung."Viel einschneidender als Stadtschrumpfungist die flächenwirksame Landschaftsgestaltungdurch Subventionierung." Weil die "Tagebau-Folgelandschaften"ihre Geschichtszeugnisse vernichten, prangerter die Sprengung der Schlote von Vockerodeund die geplante Zerstörung der Förderbrückevon Zwenkau an.

Mehr Industriedenkmale nutzen, dafür wenigerbauen - das ist nach Ganser die neue Baukultur.Da macht er vor nichts halt. Wenn gebaut wird,dann müsse "Gestaltung" unabhängig eingefordertwerden. Zum Beispiel für gute Brücken im Autobahnbau."Rücknahmeverpflichtungen" für Neubau müssees geben, nach dem Vorbild der Automobilindustrie.Selbst zur Agrarreform fällt Ganser etwasein: Es brauche "eine emotionale Sinnlichkeit"in der Landschaft, die sich aus der Reformergibt.

Die Architektenrunde verabschiedet Resolutionenzu Vockerode und zu Zwenkau, doch Entwürfezu einer den Umständen angepassten Welt liefertsie nicht. Als die erste Runde die Frage diskutiert,was Architektur leisten kann, geht sie aufdie Suche nach "inneren Qualitäten", nachdem "starken Bauherrn", nach dem verständigenBürger, nach den "Maßstäben öffentlicher Kritik",nach der aufgeschlossenen Lokalpresse, nacheinem Bundesbauminister.

Viel weiter kommt auch die zweite Runde nicht,die etwas patzig fragt, "was Politik gestaltenmuss". Ministerpräsident Reinhard Höppnergibt den Ball zurück: "Wir müssen erreichen,dass auch das Lebensgefühl der Menschen mitden Veränderungen mitkommt." Er will die Stadtneugestaltungohne viel Abriss. So empfiehlt er Wettbewerbeund will mit dem Bauhaus eine Bauausstellungmachen. Der Leipziger Stadtplaner EngelbertLütke Daldrup gibt sich ruppiger: "BehutsamerStadtumbau allein wird das Problem nicht lösen."Den einzig brauchbaren Rat an die Politikgibt Peter Conradi, neuer und alter Präsidentder Bundesarchitektenkammer: Kleinteiligestatt globale Förderprogramme seien jetztnötig, "die da helfen, wo es nötig ist".