Archäologie Archäologie: Lebte Neandertaler im Zelt?
Braunsbedra/MZ. - Kreisförmigangelegte Gruben aus der Zeit der Neandertalerkamen zum Vorschein. 25 bis 30 Kilogramm schwereSteine bildeten den Umriss. Das lässt fürdie Wissenschaftler nur einen Schluss zu:Die frühen Menschen lebten nicht nur in Höhlen,sie bauten sich auch eigene Behausungen.
"Ich kann mir dazu zeltartige Konstruktionenoder Windfänge vorstellen", sagte Grabungsleiter Enrico Brühl. "Da davon keineÜberreste erhalten sind, werden wir diesesRätsel aber wohl nie lösen", fügte er hinzu.Die in Neumark-Nord von den Forschern gefundenenLagerplätze der Neandertaler sind zwischen100000 und 130000 Jahre alt und begeisterndie Fachleute, da von diesem Zeitraum in ganzEuropa bisher nur eine Hand voll Fundstellenexistieren. In drei ausgegrabenen einstigenSeebecken wurden seit 2003 etwa 1000 KubikmeterErde bewegt und mehr als 120000 Funde geborgen.Dabei handelt es sich zumeist um Feuersteingeräteund Reste von Beutetieren wie Wildpferd, Nashornoder Höhlenbär. Erst vor wenigen Tagen kamdas gut einen Meter lange Stoßzahn-Fragmenteines Waldelefanten zum Vorschein, ein Tier,das bis zu fünf Meter groß wurde. Von ihrenUntersuchungen erhoffen sich die Archäologennun Aufschluss über das Leben und die Fähigkeitender Urmenschen, was sie aßen und jagten, wieihr Alltag aussah. Die Tier- und Pflanzenweltkann zudem in einem ungewöhnlich großen Umfangrekonstruiert werden. "Es handelt sich umdie wichtigsten Funde Europas aus der Steinzeit",schätzte Landesarchäologe Harald Meller ein.Deshalb werden sie auch in internationalerZusammenarbeit ausgewertet. Beteiligt sinddie Universität Leiden (Niederlande) und dasRömisch-Germanische Zentralmuseum Mainz.
Enrico Brühl nimmt nur ungern Abschied vondiesen Grabungsfeldern. Doch der Pegel deskünftigen Geiseltalsees steigt unerbittlich.Was nicht ausgegraben wurde, versinkt baldim Wasser. Deshalb sieht es vor Ort nur wenigeTage vor Grabungsschluss auch noch nicht nachAufräumen aus. Stattdessen wird der Bodenweiter Schicht für Schicht sorgsam abgetragen,alles gezeichnet, vermessen und katalogisiert.Wie schon in den vergangenen Sommern erhältdas Grabungsteam dafür Unterstützung von einerinternationalen Gruppe von Studenten. Insgesamtnutzen mehr als 100 künftige Archäologen unteranderem aus Japan, Rumänien und Lettland dieChance, im Geiseltal auf Zeitreise in dieAltsteinzeit zu gehen.