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Kontroverse um Lesung Harte Kritik nach Ausladung von Michel Friedman in Klütz

Der Publizist Michel Friedman sollte im Literaturhaus von Klütz lesen, dann wurde er wieder ausgeladen. Die Gemeindevertreter stehen in der Kritik. Für Montag ist eine Demonstration angemeldet worden.

Von dpa Aktualisiert: 23.09.2025, 15:34
Die Ausladung des Publizisten Michel Friedman in der mecklenburgischen Gemeinde Klütz ruft scharfe Kritik hervor.
Die Ausladung des Publizisten Michel Friedman in der mecklenburgischen Gemeinde Klütz ruft scharfe Kritik hervor. Christophe Gateau/dpa

Berlin/Klütz - Die Ausladung des Publizisten Michel Friedman zu einer Lesung im Oktober 2026 im mecklenburgischen Klütz schlägt hohe Wellen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat die Entscheidung der Gemeinde hart kritisiert. Das sei „ein direkter Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land und ein Armutszeugnis für die dortige Gemeinde“, sagte Klein.

Friedman sollte im Oktober 2026 anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt in Klütz über Demokratie sprechen. Doch die Veranstaltung mit dem 69-Jährigen sei abgesagt worden, hatte der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, der Deutschen Presse-Agentur am Montag gesagt.

Sorge vor rechten Störern als Grund genannt

Demnach habe ihm der Bürgermeister der Stadt Klütz, Jürgen Mevius (Unabhängige Wählergemeinschaft UWG), am Telefon mitgeteilt, dass sich die Mehrheit eines städtischen Gremiums gegen eine Lesung von Friedman ausgesprochen habe, hatte Hintz gesagt. Die Begründung sei: Man habe Sorge, dass rechte Störer oder Hamas-Sympathisanten nach Klütz kommen und demonstrieren könnten. 

Friedman wiederum hatte Mevius in einem Interview mit dem NDR kritisiert: Kunst-, Kultur und Meinungsfreiheit dürften nicht gefährdet sein, weil eine Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde.

Mevius widersprach dieser Darstellung und nannte finanzielle Gründe. Das Honorar Friedmans sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, die Kosten würden nicht von der Stadt, sondern von anderen Trägern übernommen.

„Begründung erscheint vorgeschoben“

Die Begründung, man habe Angst vor Störungen durch Rechtsextremisten und könne nicht die Sicherheit garantieren, erscheine vorgeschoben bei einer Veranstaltung, die erst in über einem Jahr stattfinden soll, erklärt der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung. „Um weiteren Imageschaden abzuwenden, sollte der Beschluss im eigenen Interesse rasch rückgängig gemacht werden“, fordert Felix Klein. 

Ein vorauseilendes Zurückweichen staatlicher Stellen vor Demokratiefeinden richte sich gegen die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft, erklärt Klein. Dabei sei es unerheblich, dass der betroffene Redner Michel Friedman jüdischen Glaubens ist. „Es bleibt der Gemeinde unbenommen, zu gegebener Zeit eine Gefährdungsanalyse durch die zuständigen Sicherheitsbehörden einzuholen“, sagt der Antisemitismusbeauftragte.

Klützer Bürgermeister spricht von „missverständlichem Signal“

Der Klützer Bürgermeister Jürgen Mevius (Unabhängige Wählergemeinschaft UWG) reagierte am Dienstag mit einer Pressemitteilung im Namen aller Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter. Man verstehe, „dass die Kontroverse um Michel Friedmans Teilnahme an der Hannah-Arendt-Woche ein missverständliches Signal gesendet hat“, schreibt Mevius. „Umso mehr möchten wir bekräftigen, dass Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit stets klare Leitbilder unserer politischen Arbeit waren und sind.“ 

Gemeinsam mit dem Uwe-Johnson-Literaturhaus und dem Förderverein werde man die Entscheidungsprozesse rund um die geplante Jubiläumsveranstaltung im Detail aufarbeiten, kündigt Mevius an. „Das Literaturhaus ist und bleibt für uns ein Ort, an dem die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Themen einen wichtigen Platz einnimmt.“

Kommenden Montag soll demonstriert werden

Wegen der Ausladung von Michel Friedman in Klütz soll es eine Demonstration geben. Diese sei für den nächsten Montag in der Gemeinde Klütz geplant, wie der Landkreis Nordwestmecklenburg mitteilte. Ein Verein aus Berlin habe für Montagnachmittag eine Kundgebung angemeldet, sagte ein Sprecher des Landkreises. 

Die Linke im Schweriner Landtag nennt die Absage an Friedman „nicht nachvollziehbar und deutlich zu kritisieren“. Alle Argumente, die bislang öffentlich kolportiert worden seien, wirkten schlicht vorgeschoben. „Besonders verheerend ist meines Erachtens die Aussage, den Auftritt von Friedman wegen befürchteter rechter Aufmärsche abzusagen“, sagt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Michael Noetzel. „Wir dürfen vor rechten Demokratiefeinden und Antisemiten nicht einknicken – erst recht nicht in vorauseilendem Gehorsam.“