Angst vor rechtem Protest Angst vor rechtem Protest: Warum das Verbot für Feine Sahne Fischfilet falsch ist

Halle (Saale) - Das Bauhaus-Jahr hat begonnen, lebendiger und lautstärker als von den Marketing-Strategen erhofft. Mit der Entscheidung der Stiftung Bauhaus, unter Verweis auf das Hausrecht ein vom ZDF veranstaltetes Konzert der linken Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ zu verbieten, hat sich die Stiftung in die deutschlandweite Wahrnehmung katapultiert. Und mit ihr das historische Bauhaus, mit dem die Stiftung ihr Verbot begründet.
Die Stiftung Bauhaus ist nicht das Bauhaus
„Politisch extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere finden am Bauhaus Dessau keine Plattform, da diese die demokratische Gesellschaft - auf der auch das historische Bauhaus beruht - spalten und damit gefährden“, erklärte die Stiftung in ihrer am Donnerstag verbreiteten Entscheidung. Die schloss mit einem Zitat aus einer Presseerklärung des Bauhauses Weimar vom 29. Januar 1920: „Zu den wiederholten Beschuldigungen einer radikal-politischen Parteinahme im Bauhaus haben die Leitung und der Meisterrat schon mehrfach mit der Erklärung Stellung genommen, daß jede politische Tätigkeit im Bauhaus von jeher untersagt.“ Hätte Bauhausgründer Gropius „Feine Sahne Fischfilet“ des Hauses verwiesen?
Wir wissen es nicht. Und es ist auch völlig uninteressant. Die Berufung auf das historische Bauhaus ist ein trickreiches Reden, das verwirrt statt klärt. Denn weder ist die 1994 gegründete Stiftung Bauhaus Dessau die Nachfolgerin des historischen Bauhauses, das es - keinesfalls unproblematisch - in seinem Namen führt, noch ist ein Musikkonzert eine „politische Tätigkeit“.
Auch Sido und Jennifer Rostock waren hier
Seit sieben Jahren vermietet die Stiftung die Aula des Bauhauses an das ZDF, das dort Klub-Konzerte mit angesagten Musikern aufzeichnet. Mehr als hundert Auftritte hat es gegeben. Rund 150 Zuschauer finden Platz. Das Bauhaus als Kulisse, so etwas finden ZDF und Stiftung gut.
Immer lag die Programmhoheit beim Sender, die Künstler wurden der Stiftung mitgeteilt. Darunter auch solche, die nicht nur den Mond ansingen. Weder bei dem Deutschrapper Sido („Alle Wege führen vom Regen in die Scheiße“) noch bei der Rockröhre Jennifer Rostock („Aber nur die dümmsten Kälber / Wähl’n ihren Metzger selber“) hatte die Stiftung irgendwelche Sorgen. Aber bei „Feine Sahne Fischfilet“.
Ostdeutsch mit Trompete
Ausgerechnet bei den Oststars. Die 2007 in Mecklenburg gegründete Band um Jan „Monchi“ Gorkow suchte, was im Norden leicht fällt, von Anfang an den Hass der Nazis. Das gelang. Bei den Unter-30-Jährigen gelten die Melodie-Punker als Bewahrer des Guten, Ehrlichen und Schrägen, als heimatverbundene Anarchos mit Leib und Seele. Ihr Motto: Ostdeutsch mit Trompete. Viel beachtet läuft in den Programmkinos der Bandfilm „Wildes Herz“.
Der Hinweis darauf, dass ein Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern die Nordlichter erwähnte, ist Begleit-Routine. Wenn eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ein Argument gegen Fernseh- und Bühnenauftritte sein sollte, wäre der Linkepolitiker Gregor Gysi unsichtbar. Diese Freiheit soll für die Band nicht gelten. Spitzenkräfte der Sachsen-Anhalt-CDU probieren sich als Musikkritiker.
Es geht nicht um Musik
Es geht aber nicht um Musik. Es geht nicht um „Feine Sahne Fischfilet“. Wer sich eine Punk-Diskussion überhelfen lässt, sitzt in der Falle, von der aus das eigentliche Problem nicht erkannt wird. Das ist, erstens, das Einknicken der Stiftung vor dem Einspruch von rechts und dem Druck von oben. Zweitens, das autoritäre sowie gesellschaftlich und historisch bedenkenlose Argumentieren der Entscheidung.
Es war die AfD, die das Thema als das ihre entdeckte. Über die Facebook-Seite „Patriotisches Köthen“ sollte zum Protest gerufen werden. Allein das und ein entschiedener Wortwechsel im Dessauer Stadtrat reichten aus. Als der Regierungssprecher Matthias Schuppe am Mittwoch die Einladung der Band als „schwer bis nicht nachvollziehbar“ bezeichnete, war die Lage klar. Am Tag darauf sprach die Direktorin das Verbot aus. Im Netz freute sich einer: „AfD wirkt“.
Angriff auf die Kunstfreiheit
Aber wohin? Auch wenn es nicht gefallen mag: Die Küsten-Punker sind Künstler. In Sachen Kunstfreiheit sichert das Grundgesetz nicht allein das künstlerische Schaffen, sondern auch dessen öffentliche Darbietung; Werkbereich und Wirkbereich werden gleichermaßen von der Verfassung geschützt. Öffentliche Vermittlung gehört zur Kunstfreiheit. Das Hausverbot der Stiftung verhindert das für die Punkband im Bauhaus. Die Musiker wollen trotzdem am 6. November in Dessau spielen, teilen sie mit. Irgendwo, „ist doch wohl klar“.
Wofür steht die Stiftung?
Statt auf Bauhaus-Zitate sollte sich die Stiftung auf ihre eigene Satzung berufen. Die ist aber missverständlich. In der steht, dass „die vom Bauhaus der zwanziger Jahre ausgegangene Botschaft, die bis heute als Bauhausidee fortwirkt, in ihrer Fortschrittlichkeit und Vorbildfunktion Maßstab für die zukünftige Arbeit des Bauhauses“ sei. Fortschrittlichkeit? Vorbildfunktion? Vielleicht wäre das Bauhaus-Jahr ein Anlass, dem Begriffspudding Form zu geben. Offenbar ist nicht geklärt, wofür die Stiftung steht.
Wenn die ihre Arbeit bedroht sieht, muss sie die Polizei rufen, und nicht die Arbeit einstellen. Auch nicht aus Angst vor Neonazis. In ihrer Erklärung verweist die Stiftung auf eine Neonazi-Demonstration im März 2017. Die war Teil des jährlichen rechten Marsches im Gedenken an die Zerstörung Dessaus. Dass dieser Zug erstmals am Bauhaus vorbeizog, überraschte dort sehr. Man hätte aber auch überrascht sein können von der stadtgesellschaftlichen Ahnungslosigkeit der Stiftung. Und der juristischen. Dass „auch Gegner der Demokratie sich auf Grundrechte berufen“ können, darüber musste der Oberbürgermeister belehren.
So viel Regierungsnähe war nie
Man verbietet heutzutage lieber, als sich kundig zu machen. Macht besser nichts, statt etwas Falsches. Das ist ein Trend, der um sich greift. Immer häufiger führen sich öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen wie staatliche Behörden auf. Man orientiert sich mehr an den Erwartungen einer Regierung als an denen der Gesellschaft. Marketing und Budenzauber statt Kontroverse und Transparenz. Hauptsache Werbung. Und Ruhe im Karton.
Der Stiftungsdirektor Philipp Oswalt, dem das zu wenig war, wurde 2014 von der Regierung aus dem Amt entfernt. Man musste den Landtag einspannen, um ihm eine zweite Amtszeit zu verwehren. Die wurde kürzlich der Direktorin genehmigt. Der vormalige Kultur-Staatssekretär Jan Hofmann, der unter Stephan Dorgerloh diente, führt seit Herbst 2017 die Gesellschaft der Freunde des Bauhauses. So viel Regierungsnähe war nie. Als „politische Tätigkeit“ gilt das nicht.
Die Stiftung hätte sich das Verbot sparen sollen. Es ist, wenn nicht strategisches Kalkül, Ausdruck einer Überforderung. Man sucht sich das Bauhaus aus, das man vertreten will. In diesem Fall vertritt man das von staatlicher Seite vorangetriebene Einknicken vor dem Protest von rechts.
(mz)