1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Andreas Kammler räumt mit Piraten-Klischees auf

Andreas Kammler räumt mit Piraten-Klischees auf

Von Katrin Börner 05.06.2008, 13:50

Hamburg/dpa. - «Piraten!» - das Wort klingt nach kühnen Abenteurern, die in verwegenen Kostümen die Freiheit der Meere genießen.

Jeder denkt sofort an Hollywood-Star Johnny Depp als ebenso schöner wie skrupelloser Captain Jack Sparrow im «Fluch der Karibik», an Burt Lancaster als roter Korsar oder Captain Hook mit seiner Hakenhand. Doch mit solchen Klischees räumt Andreas Kammler in seinem Buch gründlich auf. Er demaskiert Piraten als rücksichtslose Unternehmer, die in ihrer Gier nach Beute die eigene Mannschaft drangsalieren und aus ihren Gefangenen mit grausamen Foltern Hinweise auf versteckte Schätze erpressen.

Auch Kaperfahrer oder Freibeuter, die ihre Umtriebe mit dem Auftrag von kriegführenden Ländern rechtfertigen, kommen bei Kammler schlecht weg. «Die Bestrafung macht offensichtlich den Unterschied zwischen Seeräubern und Kaperfahrern aus», stellt der Autor fest. «Wer gehängt wird, war ein Pirat, wer nicht gehängt wird, ist ein Kaperfahrer.» Doch so mancher angeblich legale Kaperbrief war gefälscht. Zudem verbreiteten sich Nachrichten auf See nur langsam. So mancher Überfall geschah nach einem Friedensschluss der kriegführenden Parteien und machte den ehrbaren Freibeuter zum gesetzlosen Piraten.

Und noch ein Klischee wird zerschlagen. Denn Piraterie gehört nicht nur einer dunklen Vergangenheit an - auch wenn Kammler als älteste Quelle über die gefährlichen Aktivitäten von Seeräubern den griechischen Historiker Thukydides (geb. 460 v. Chr.) zitiert. Gerade in letzter Zeit werden die Schifffahrtsrouten wieder von Seeräubern unsicher gemacht. Vor allem die Gewässer vor Somalia am Horn von Afrika sind berüchtigt, aber auch die Seewege in Indonesien werden immer wieder von kriminellen Banden unsicher gemacht. Das - so Kammler - «zweitälteste Gewerbe der Welt» ist heute so einträglich wie eh und je. Nur fallen die mit GPS und Speedbooten ausgerüsteten modernen Piraten besonders gern über Luxusjachten her, während es ihre Vorgänger eher auf Kaufleute abgesehen hatten.

Wie im Untertitel des Buches «Das Handbuch der unbekannten Fakten und schönsten Anekdoten» versprochen, hat Kammler eine Fülle von Material gesammelt. Die zahllosen Einzelheiten über Gestalten wie «Blackbeard» Kapitän Teach, Sir Henry Morgan oder den deutschen Klaus Störtebeker sind in Themenpaketen zusammengefasst - etwa «Berühmte und weniger berühmte Piraten und Piratinnen», der größte Coup oder höchste Würden - der Seeräuber Baldassare Cossa wurde im 15. Jahrhundert sogar Papst. Im Kapitel über Flaggen kann der Leser erfahren, dass den Einband und einige Seiten des Buches das Zeichen von Calico Jack ziert. Leider gibt es kein Glossar mit Querverweisen. So ist es recht mühsam, sich eine einzelne Biografie oder die Historie einer Region zusammenzusuchen. Vielleicht könnte es künftig nicht nur Hörbücher geben, sondern auch die Computer-Version eines Buches, in der Links die Zusammenhänge überschaubar machen.

Andreas Kammler

Piraten!

Verlag S. Fischer, Frankfurt/Main

240 Seiten, Euro 8,95

ISBN 978-3-596-17813-1