Alles leuchtet: Joy Denalanes Album "Gleisdreieck"

Berlin - Sonnenstrahlen hüllen Joy Denalanes schwarze Locken in ein strahlendes Licht. Die Sängerin, noch umgeben von Morgennebel, scheint sich dieses leuchtenden Momentes bewusst: Selbstbewusst, fast herausfordernd schaut sie in die Kamera.
Abwartend, was der Tag bringen mag und zugleich gewiss, dass sie selbst die Weichen stellen kann. Das Bild, ausgewählt für das Cover ihres neuen Albums, wirkt so hell und zuversichtlich wie das Panorama der Songs.
„Gleisdreieck” heißt die Platte und dieser Titel hat beim ersten Hinhören nur wenig mit den Texten zu tun. Gleisdreieck ist der Name eines U-Bahnhofs im Westen des Berliner Bezirks Kreuzberg, er bezeichnet aber auch eine angrenzende langjährige Brache auf Teilen des Geländes zweier ehemaliger Güterbahnhöfe. Weite Fläche, viel Himmel. Hier ist Denalane aufgewachsen, „zwischen Schutt und Schienen, Schotter und Ruinen”, wie sie es selbst beschreibt.
Das Gleisdreieck war ihr Zuhause. Ein Ort, an dem sie sich sicher fühlte. „Die Basis, von der aus ich ins Leben gegangen bin”, sagt die 43-Jährige. Zugleich habe die Wahl dieses Namens als Albumtitel auch etwas sehr Poetisches. „Gleisdreieck ist ein Ort der Möglichkeiten, der Begegnungen, der Abschiede”, sagt sie. „Eine Gabelung, an der man sich auch im Leben immer wieder befindet.”
All das vereint das neue Album: Denalane geht zurück zu ihren Wurzeln, beschreibt Erfahrungen und blickt in die Zukunft - voller Freude. Der klassische Joy-Sound mit seinem Ursprung im Gospel, Afrobeat und 70er-Soul weicht einem modernen, urbanen Klang. Mehr Beats, mehr Pop, hier und da elektronische Einflüsse.
Entstanden ist eine sehr zeitgemäße Platte mit starken Texten, die perfekt zu dem noch jungen Jahr passt und es pünktlich zum Frühlingsanfang mit all seinen Möglichkeiten willkommen heißt. Jeder Tag ein leeres Blatt. „Unberührter Schnee liegt auf allem, die letzten Flocken fallen. Alles wird neu erfunden, die Spieluhr fängt an sich zu drehen”, singt sie im Album-Opener „Himmel berühren”.
Mehr noch kommt diese Zuversicht in „Alles leuchtet” durch, das das Zeug hat, 20 Mal hintereinander zu laufen. „Der Himmel ist weit, die Sicht ist klar, der Weg ist da und die Straßen sind frei”, singt Denalane da. Klingt auch nach geheilten Wunden, nach innerer Reinheit, nach einem Bei-sich-selbst-angekommen-sein?
„Angekommen? Niemals”, sagt die Sängerin. „Es gibt immer wieder Inseln auf dem Weg durchs Leben, da fühlt man sich wohl, man empfindet auch Glück.” Diese Momente seien allerdings flüchtig. „Ich bin aber angetrieben von einem positiven Grundgefühl. Bei mir ist das Glas immer halb voll”, sagt Denalane. „Deswegen kann ich auch solche Momente erzeugen und wirklich empfinden, wie sie in 'Himmel berühren' und 'Alles leuchtet' vorkommen.”
Wie schon auf dem Vorgängeralbum „Maureen” verarbeitet Denalane aber auch auf „Gleisdreieck” unschöne Erinnerungen an die Vergangenheit. „Hologramm” etwa beschreibt eine Beziehung, die sich langsam und schleichend auflöst. „Ich kenne dieses Gefühl”, sagt Denalane. „Man lebt aneinander vorbei, sieht das Glück nicht mehr, ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt.”
Kann man aus solchen Erfahrungen lernen? „Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass es gut ist, wenn man ein wenig zurücktritt, sich selbst nicht immer im Mittelpunkt von allem sieht. Man sollte wissen, dass man in einem Raum-Zeit-Gefüge nicht mal ein Staubkörnchen ist. Das hilft einem, die Dinge zu relativieren, sich selbst zu relativieren.”
2007 trennten sich die Sängerin und ihr Mann, der Musiker Max Herre, nach einer langjährigen Beziehung. 2011 kamen sie wieder zusammen. „Es gibt auf diesem Album Momente, in denen ich hinabgestiegen bin, mich mit meinen Dämonen getroffen habe und Farbe bekennen musste”, sagt Denalane.
Bei der Entstehung des Albums hat sie neben Max Herre und Kahedi mit unterschiedlichen Musikern zusammengearbeitet - viele von ihnen kannte sie vorher nicht oder kaum. „Ich musste lernen, über Persönliches zu sprechen, ohne dass ich dabei mein Gesicht verliere”, sagt die Sängerin. Dieser Prozess sei wichtig gewesen. „Ich habe mich selbst nochmal hinterfragt und Dinge an den richtigen Platz gebracht.”
So können manche Songs auf dem Album wohl auch als Liebeserklärung verstanden werden. „Es gab schon immer Lügen und Intrigen, schon immer Zweifel und Ernüchterung”, singt Denalane in „Deshalb”. Um den Satz zu beenden: „Aber immer wenn ich an dich denke, spricht so viel dafür, dass das mit uns nur aus Liebe geschieht.”
Joy Denalane geht im April auf Tour, Start ist am 20. April in Gera. Weitere Konzerte sind in Erlangen (21.4.), Frankfurt (22.4.), Berlin (24.4.), Hamburg (25.4.), Köln (26.4.), München (27.4.), Stuttgart (29.4.), Heidelberg (30.4.), Zürich (1.5.) und Krefeld (2.5.) geplant. (dpa)