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Graf Grusel Alice Cooper mit neuem Album "Paranormal"

Von Steffen Könau 03.08.2017, 08:00
US-Rockstar Alice Cooper
US-Rockstar Alice Cooper SCANPIX DENMARK

Halle (Saale) - Mit 16 hatte er seine erste Band, mit 20 den ersten Plattenvertrag und mit 25 den ersten Welthit. „School’s out“ sang Alice Cooper da, aber eigentlich war er es gar nicht, der da sang. Denn „Alice Cooper“ war seinerzeit der Name der Band, in der Vincent Furnier aus Detroit (Michigan) bloß am Mikrofon stand.

Erst später änderte er seinen bürgerlichen Namen, um unter der erfolgreich eingeführten Marke touren zu können, obwohl die ursprüngliche Band im Streit auseinandergebrochen war.

„Paranormal“: 27. Album von Alice Cooper

Alles längst vergeben und vergessen. Auf „Paranormal“, dem soeben erschienenen 27. Album von Alice Cooper, spielen auch die damaligen Mitglieder Dennis Dunaway (Bass), Neal Smith (Schlagzeug) und Michael Bruce (Gitarre) wieder mit, wenn auch nur bei den Titeln der beigelegten Bonus-CD mit zwei Studio-Songs und sechs Live-Aufnahmen.

Krachiger Stoff wird da produziert, der Coopers Talent für Unernst belegt: Der Gruselrocker, der seit Jahrzehnten im Halloween-Kostüm durch die Ruhmeshallen des Rock wandelt, singt hier im Gewand einer Frau: Ein „Genuine American Girl“, ein echtes amerikanisches Mädchen, sei er, flunkert der 69-Jährige. Nur Spaß als Beilage.

Denn für sein erstes Album seit sechs Jahren hat sich Cooper gemeinsam mit Bob Ezrin, der zuletzt Deep Purple produziert hat, in Wirklichkeit wieder eine Mischung aus Metal-Monstern, Horrorfantasien und charmantem Rock-Schockern zusammengestellt.

Alice Cooper: „Paranormal“ eine Beschreibung der eigenen Persönlichkeit

„Paranormal“ nennt Cooper das Album, auch seiner Sicht im Grunde genommen eine Beschreibung der eigenen Persönlichkeit. Er habe „immer geguckt, was ist normal und trat dann einen schritt zur Seite“, sagt er. „So bekommt man die Aufmerksamkeit der Leute.“

Klappt immer noch, aber schwerer, nachdem über Jahrzehnte hinweg alle erreichbaren Tabus gebrochen wurden. Cooper ließ sich auf der Bühne hinrichten. Kollege Ozzy Osbourne biss einer Fledermaus den Kopf ab und Gwar richteten Politiker hin und spritzen mit Kunstblut.

Cooper hat sich stattdessen diesmal eine Band zusammengebaut, die hochkarätiger kaum sein könnte. Larry Mullen von U2 sitzt am Schlagzeug, ZZ-Top-Klampfer Billy Gibbons und Purple-Basser Roger Glover treten als Gäste auf - und sorgen für bunte Tupfer im Cooper-Sound aus bratzigen Gitarren und Gruseltexten über alptraumhafte Weltuntergänge und schwarzäugige Frauen, die aus „Billion Dollar Babies“, wie Cooper selbst seinen größten Hit zitiert, hilflose Liebende machen.

Kurz vor der 70, aber stimmlich hörbar immer noch weit weg von der Rockerrente, verzichtet Cooper auf Experimente. Stücke wie das von Bläsern angetriebene „Holy water“ und das am ZZ-Top-Boogie orientierte „Fallen in love“ erweitern seinen musikalischen Horizont, sprengen aber nicht den Rahmen, in den Graf Grusel seit Jahrzehnten tanzt.

Alice Cooper als Erfinder des Schock-Rocks

Ohne modisch zu wirken, ist der vor 35 Jahren im zweiten Anlauf einer manifesten Alkoholsucht entkommene Mitbegründer des klassischen Hardrock auf Augenhöhe mit der Gegenwart. In „Fireball“ singt er mit verzerrter Stimme wie Ozzy Osbourne ehemals in „Paranoid“.

Und „Dynamite Road“ erinnert mit einem holpernden Schnellzug-Rhythmus mindestens ebenso sehr an Nazareth’ Klassiker „This Flight Tonight“ wie das Riff des Titelsongs an deren Hit „Love Hurts“. Lieder aus einer Zeit zwischen Beat und Glam, deren Hitpotenzial überschaubar ist, die dem Entertainer des Schreckens aber die nächste Gelegenheit liefern, auf eine seiner berühmten sechsmonatigen Welttourneen zu gehen.

Alice Cooper darf das, denn der Erfinder des Schock-Rock und der überkandidelten Bühnenshow war noch nie ein Garant für musikalische Überraschungen, sondern stets Lieferant für gediegene Hardrock-Kost mit viel schwarzer Schminke. Es gab Zeiten, in denen Politiker Cooper-Shows verbieten wollten, obwohl ihr Protagonist im wahren Leben ein zuvorkommender, höflicher älterer Herr mit einer Vorliebe für den Golfsport ist.

Cooper ist heute Kult, sein Schock-Rock ein Spaß. Das Blut auf dem Hemd, die schwarzumrandeten Augen, die Mörderhandschuhe und der rabiate Sound - all die einst so gefürchteten Gruseltricks wirken nur wie wie lustige Zauberei auf einem Kindergeburtstag - und nicht so, als wäre Cooper wirklich dieser schreckliche Rocker, der infernalisch brüllend jede Party sprengt. (mz )