1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Alex Diehl zimmert sich seine eigene Bühne

Alex Diehl zimmert sich seine eigene Bühne

22.04.2016, 08:38
Alex Diehl hat mit «Nur ein Lied» viele Herzen berührt. Foto: Universal Music/Dominik Beckmann
Alex Diehl hat mit «Nur ein Lied» viele Herzen berührt. Foto: Universal Music/Dominik Beckmann dpa

Berlin - Fast wäre ihm der Sprung nach Stockholm gelungen, dann aber musste sich Alex Diehl beim ESC-Vorentscheid mit «Nur ein Lied» doch dem Manga-Mädchen Jamie-Lee Kriewitz geschlagen geben.

Über mangelnde Aufmerksamkeit und Erfolg aber kann sich der Musiker dennoch nicht beklagen. Dabei kennt er nicht nur die Sonnenseiten des Lebens. Das Spitzweg-Gemälde «Der arme Poet» könnte auch Teil seiner eigenen Biografie sein.

«Einer der traurigsten Momente in meinem Leben war, als ich mit zwei Euro bei Aldi stand und wusste, damit muss ich mich drei Tage ernähren», erzählte der 28-Jährige in einem Interview dem «Münchner Merkur».

Vor seinem Durchbruch, der ihm im November mit dem Song «Nur ein Lied» gelang, habe er bei seiner Vermieterin ständig um Aufschub für die Miete bitten müssen. Zu seinem ersten Gitarrenschüler sei er zu Fuß gegangen, «weil ich erst mit dem Geld für die Stunde mein Auto betanken konnte».

Natürlich ist «Nur ein Lied» der Kern seines zweiten Studioalbums «Bretter meiner Welt». Den Song hatte der bayerische Singer-Songwriter als Reaktion auf die Pariser Terroranschläge geschrieben. Ohne PR-Maschinerie wurde das Video dazu zum YouTube-Hit.

«Bretter meiner Welt» - das ist die (kleine) Bühne, die sich Alex Diehl ganz nach seinen eigenen Vorstellungen gebaut hat und immer noch baut. Die dunklen Zeiten hat er hinter sich gelassen: «Aus dem Schatten ins Licht/ich blick nicht mehr zurück», singt Diehl in dem recht poppigen Titelsong, der das Album eröffnet.

Nach dem recht schmissigen Beginn wird es besinnlicher: Um eine zerbrochene, aber nicht vergessene, Liebe geht es in dem Song «In meiner Seele», in dem Diehl mit viel Druck singt. Hier lässt einer mächtig Dampf ab.

Der Hoffnung auf eine ewig währende Liebe bringt er in «Bitte werde nie ein Song». Piano, Cello und Diehls eindringlicher, leicht flehender Gesang sorgen für Gänsehaut. Bei Alex Diehl geht es viel um Gefühle, manchmal in ein reduziertes Singer-Songwriter-Gewand gekleidet, mal fast rockig im Ansatz («Hör auf...!»).

Aber natürlich geht es nicht nur um die eigen Befindlichkeiten, die aber gleichwohl immer Ausgangspunkt seiner Songs sind. Und wer unter dem Eindruck der Terroranschläge spontan einen Song wie «Nur ein Lied» komponiert, den kann auch die Flüchtlingskrise nicht kalt lassen. «Ein Zeichen» wendet sich gegen Fremdenfeindlichkeit und ist von der Hoffnung geprägt, dass alle Menschen Brüder sind: «Es ist an Zeit, Mensch zu sein», fordert Alex Diehl und hält durch Laith Al-Deen als Duett-Partner Unterstützung.

Die kleine Bühne, an der Alex Diehl werkelt, dürfte durch sein vielversprechendes Album «Bretter meiner Welt» jetzt größer werden. (dpa)