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Aktfotografie Aktfotografie: Die nackten Tatsachen von Klaus Ender

Von Martina Rathke 02.12.2004, 07:20
Der durch seine Aktaufnahmen berühmt gewordene Fotograf Klaus Ender zeigt in seinem Archiv in Bergen auf Rügen zwei Aktfotos aus seinem Archiv. (Foto: dpa)
Der durch seine Aktaufnahmen berühmt gewordene Fotograf Klaus Ender zeigt in seinem Archiv in Bergen auf Rügen zwei Aktfotos aus seinem Archiv. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Rügen/dpa. - Wenn Enders Bilder im «Magazin»oder auf der «Funzel»-Seite der Satire-Zeitschrift «Eulenspiegel»erschienen, waren die begehrten Hefte bereits am Erscheinungstagvergriffen. Nun hat der 65-Jährige eine Autobiografie veröffentlicht.«Die nackten Tatsachen des Klaus Ender» (ISBN 3-937547-03-7)erscheinen am 2. Dezember im Wevos-Verlag.

Auf 216 Seiten beschreibt Ender ein atemloses Leben. Er lernt denBeruf des Bäckers, eignet sich als Autodiktat die ersten Kenntnisseder Fotografie an, gerät ins Visier des Staatssicherheitsdiensts,wird vom Opfer zum IM, siedelt nach Österreich über und kehrt in denOsten zurück. Seit acht Jahren lebt Ender auf Rügen, dort, wo seineKarriere vor 30 Jahren begann. «Ja, ich habe zweimal miterlebt, wiemeine Mutter vergewaltigt wurde, ja, ich wurde von Flüchtlingsmassenin den Schmutz der Oder getreten, ja, meine Verlobte hat sich dasLeben genommen, ja, ich wollte unbedingt Akt-Fotograf werden, ja, ichhatte Sex mit vielen Mädchen, ja, ich habe der Nacktheit in der DDReinen natürlichen Glanz gegeben und ja, ich war auch IM», bekenntsich Ender selbstbewusst zu seinem Lebensbericht.

Nach der Wende fordert Ender seine 600 Seiten dicke Stasi-Akte an,kopiert 160 Blätter. In seinem Buch zitiert er immer wieder aus denAkten und beschreibt schonungslos sein Leben: wie er 1957 als 18-Jähriger erstmals aus der DDR flüchtet, nach einem Jahr zurückkehrtund dafür die nächsten Jahre unter systematischer Überwachung steht.1964 schickt er seine ersten Aktfotografien an Westverlage, dieAufnahmen werden prompt gedruckt. Der Deal fliegt auf, die Stasisetzt Ender unter Druck: Zuchthaus oder Zusammenarbeit.

Ender, der sich eine Existenz als selbstständiger Bildjournalistaufbauen will, entscheidet sich für die Zusammenarbeit. «Es warzwangsläufig, nicht zu verhindern gewesen», resümiert errückschauend. 15 Jahre lang arbeitet er als IM für dieStaatssicherheit, schreibt Berichte und erhält auch Geld dafür. Inmehr als 90 Prozent dieser Berichte habe er über SED-Genossen undStaatsdiener berichtet, die korrupt waren, erklärt Ender heute. «Daswar meine Rache.» 1981 löst sich Ender aus der Umklammerung der Stasiund siedelt nach Österreich über. Erst nach der Wende habe ererfahren, dass sein Name systematisch aus der DDR-Fotogeschichtegetilgt wurde. «Man hat versucht, meine Vergangenheit auszulöschen.»

Ender gehört zu den national und international anerkanntesten DDR-Fotografen: Er veröffentlichte mehr als 100 Bücher. 1975 rief er diemit mehr als 100 000 Besuchern erfolgreichste Fotoausstellung in derDDR, «Akt & Landschaft», ins Leben. Er wurde 1978 vom Weltverband fürKunstfotografie (FIAP) ausgezeichnet und gewann 1989 in London den 1.Preis des «Tourism Poster of the Year». In seinem Rügener Archivlagern heute mehr als 100 000 Dias und 20 000 Schwarz-Weiß-Aufnahmen.

«Das Schreiben war eine Befreiung, die zugleich auch weh tat»,sagt Ender. «Ich wollte alles offen legen, ohne Beschönigungen.» DerAkt ist nicht mehr sein Thema. Dafür stehen gefühlsintensiveLandschaftsaufnahmen im Mittelpunkt seines fotografischen Schaffens.Doch noch häufiger als zur Kamera greift Ender heute zum Stift, umGedichte zu schreiben. Rückblickend empfinde er Genugtuung, bekenntEnder. «Ich habe immer Bilder der Stille gemacht und mich damitdurchgesetzt, auch in Zeiten, als man im Westen immer nach Actionschrie.»