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ABBA-Museum ABBA-Museum: Tanzen mit Agnetha in Stockholm

Von André Anwar 17.05.2013, 20:43
ABBA
ABBA Dpa Lizenz

Stockholm/MZ - Anwalt Mariano Pieretti (45) ist eine stattliche Erscheinung in seinem zum seidenweißen Kostüm umgewandelten Karatemantel. Hinten sind die vier Buchstaben ABBA aufgestickt. Zusammen mit seiner schwedisch lernenden Freundin Celeste Busson Ibarra (31) ist er extra aus dem argentinischen Buenos Aires eingeflogen, um einer der ersten Besucher des frisch eröffneten Abba-Museums in Stockholm zu sein. Tickets haben die beiden schon zum Jahreswechsel über das Internet gekauft. Jetzt jubeln sie, als Abba-Frontmann Björn Ulvaeus, wie der Museumsdirektor sagt, „als erster schwedischer Eurovision Song Contest Sieger überhaupt“ und Loreen „als letzte schwedische Siegerin“ gemeinsam die Pforten zur Ausstellung aufdrücken.

Alles ist gut geordnet. Die Tickets für etwa 23 Euro für Erwachsene und sechs Euro für Kinder sind an bestimmte Tageszeiten gebunden, so dass nie auf einmal zu viele Besucher kommen. Rund 1,5 Stunden hat jeder Gast Zeit. Wer unbedingt will, darf aber auch länger bleiben. „Wir sind da nicht so genau“, verrät der Aufseher, ein älterer Herr, der wohl schon bei Abbas weltweitem Durchbruch mit dem Lied „Waterloo“ 1974 dabei war.

Das Äußere ähnelt einem schnöden Bunker aus Holz

Das Äußere des Museums ähnelt einem schnöden Bunker aus Holz. Der ist aber hübsch gelegen, mitten im Grünen. Er ist einfach vom Hauptbahnhof T-Centralen mit der Tram 7 zu erreichen und steht mitten im Djurgården (Tierpark).

Und drinnen in den 5 000-Quadratmeter Kellergewölben ist alles so professionell und doch mit Herz eingerichtet, dass sich auch das Beatles-Museum in Liverpool davon eine Scheibe abschneiden könnte. Die Besucher werden durch neueste technische Mittel interaktiv in die Siebzigerjahre zurückgesaugt. Das Museumsmotto „Walk in. Dance out“ („Geh’ hinein. Tanz’ raus.“) funktioniert. Hier und da tänzeln ältere Damen aus Deutschland, aus England, aus Holland „Dancing Queen“ singend durch die Räume, als ob sie in einen Jungbrunnen gefallen wären, oder als ob der Zeitgeist damals tatsächlich lockerer gewesen ist als heute.

Es gibt viele Erinnerungen und auch feuchte Augen. Weil der noch immer in Stockholm lebende Abba-Frontmann Björn Ulvaeus das Museum gegründet hat, fehlt es an nichts aus der sagenhaften Zeit der Band. Alle Bandmitglieder wurden an der Entstehung der Ausstellung beteiligt. Ein Piano im Museum ist gar an das Piano von Benny Anderssons eigenem Tonstudio angeschlossen. Wenn er daheim spielt, spielt das Museums-Piano synchron. Besucher können sich, wenn sie Glück haben, auf ein ganz privates Minikonzert der Abba-Legende freuen. „Man weiß aber nie, wann Benny spielt...“, sagt Charlotte Wiking vom Museum.

Auch ein Telefon steht dort relativ unauffällig. Nur die vier Abba-Mitglieder haben die Nummer und rufen gelegentlich mal an, um mit Besuchern zu reden. Auch das Arbeitsbüro vom Abba-Manager Stikkan ist wieder auferstanden. Eine Band, die bis heute 379 Millionen Platten verkauft hat, brauche schließlich auch eine Verwaltung, heißt es dort.

Auch die private Abba-Sammlung von Björns Vater Gunnar Ulvaeus findet sich im Museum wieder, Unmengen an Goldenen Schallplatten und viele Fotografien, die bislang im Privatbesitz der Band waren und nicht veröffentlicht wurden. Im Kino werden Abba-Filme gezeigt. Und die Abba-Besucher haben auch Zugang zur Nebenausstellung „Swedish Music Hall Of Fame“, wo es um andere Größen des schwedischen Musikgeschäftes geht, wie etwa das Popwunder Roxette und den jüngsten ESC-Zugang Loreen.

Unmengen an Goldenen Schallplatten

Im legendären „Polarstudio“ ist alles mit den Originalanlagen und dem Mischpult ausgestattet, wie es damals benutzt wurde. An kleinen Mixterminals können Besucher selbst die Songs von Abba über die verschiedenen Tonspuren, Stimme 1 und 2, Schlagzeug, Gitarre, Bass und Keyboard abmixen. Hinterher sehen sie dann, wie nahe ihr Gehör an die originalen Endversionen wählbarer Abba-Songs gekommen ist. Im „Polarstudio“ kann man auch selbst „Take a Chance“ oder „The Winner Takes It All“ einsingen. In engen Kabinen, exakt so, wie es einst Agnetha und Anni-Frid in ihren stundenlangen Einspielsessions taten.

Sogar in einem richtigen Abba-Bandproberaum mit allen Abba-Instrumenten können Besucher musizieren. Es gibt Abba-Rätselspiele. Auf einer großen Bühne steht Sekretärin Iris Werner aus Thüringen, seit 1974 inniger Abba-Fan, und singt neben den 3D-Hologrammen von Björn, Benny, Agnetha und Anni-Frid „Waterloo“. Ihr Lebenspartner Gerhard Klausner steht unten im Publikum und fotografiert. „Ich bin zwar nicht so ein Abba-Fan wie Iris, aber hier wird man wirklich vom Abba-Fieber angesteckt“, sagt der 53-jährige Schlosser. Es sieht wirklich so aus, als ob Iris zusammen mit den Abba-Mitgliedern singt.

Auch für Modeinteressierte bietet das Museum viel ungewöhnliche Inspiration aus den Siebzigern. Alle Abba-Bühnenkleider sind ausgestellt. Nebenan probieren die Argentinier ganz virtuell die pompösen Kleidungsstücke von Abba an. Ein Computer fotografiert Marianos Gesicht. Dann tanzt er vor einer Leinwand. Auf der ist er plötzlich in Abba-Kleidern als Benny zu sehen.

In einem anderen Raum sitzt die Holländerin Linda Dejongh (45) im Original-Hubschrauber vom Cover des Abba-Albums „Arrival“ und lässt sich von einer Freundin fotografieren. Hinter ihr die grüne Wiese, genauso wie auf dem Cover. Alles im Museum ist für Besucherfotos gemacht. Doch es geht auch in die Tiefe. Selbst satirischen Beschreibungen von Abba wird Platz eingeräumt. Auch heute noch mögen viele Schweden Abba, aber nach Jahrzehnten der Dauerberieselung haben sich auch viele an der Band überhört. Populärer ist die Band im Ausland, vor allem in Deutschland, der größte Markt der Band. Das Museum ist wohl deshalb auch für ausländische Gäste angelegt.

Auch heute noch mögen viele Schweden Abba

Berührend sind die sehr persönlichen, sehr ehrlichen Erzählungen aller vier Mitglieder, jüngst eingespielt, auf Videoschirmen. Jedes Bandmitglied hat seinen eigenen Bereich. Da geht es um die ersten Gehversuche als Musiker. Es geht um den Ruhm, aber auch die Verachtung, die Abba vor allem aus der vermeintlich seriöseren und in den roten 70ern politisch bewussteren schwedischen Musiker- und Kunstszene erfahren haben. Beim ESC 1975 in Schweden organisierten Letztere gar ein Gegenfestival mit Protestsongs. Abba sei „bürgerliche Propaganda“ hieß es damals. Tatsächlich klebt auf einem Abba-Koffer noch der Button einer Partei, die damals für freies Unternehmertum warb. Steinreich sind die vier Abba-Mitglieder heute allemal. Doch sie scheinen, typisch schwedisch, auf dem Boden geblieben zu sein. Ulvaeus findet selbst, dass sein Leben ein Märchen war. „Wir waren vier junge Menschen, die aus einfachen Verhältnissen kamen. Ich treffe eine sehr hübsche Frau, in die ich mich verliebe, und die auch noch singen kann, und dann passiert meinem Freund Benny genau das gleiche. Abba war ein Aschenputtelmärchen.“

Das mit dem Museum könnte als Größenwahn ausgelegt werden, das weiß auch Ulvaeus. „Aber ich denke, es ist es einfach wert, unsere Geschichte so gut wie möglich zu erzählen“, sagt er. Es gehe ihm nicht darum, mit dem Museum viel Geld zu verdienen, betont er. In der Tat mussten private Unternehmer und die Stadt Stockholm die Bandmitglieder jahrelang überreden, überhaupt mitzumachen. Als es dann tatsächlich so weit war, kochte die Gerüchteküche. Doch eine Wiedervereinigung von Abba wird es definitiv nicht mehr geben. „Vier betagte Herrschaften, die alte Lieder singen, was soll das?“, sagt Björn Ulvaeus. „Alle wären enttäuscht.“ Eine Zeitung wies ihn darauf hin, dass keines der Bandmitglieder jemals in Interviews „die Tür zu einer Wiedervereinigung ganz geschlossen hat“. Ulvaeus antwortet daraufhin knapp: „Dann schließe ich sie jetzt.“

Mehr Informationen: www.abbathemuseum.com

ABBA in 3D
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dpa Lizenz
ABBA Platten-Cover
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