93. Bayreuther Festspiele 93. Bayreuther Festspiele: Skandal bei Schlingensiefs «Parsifal» bleibt aus

Bayreuth/dpa. - Bei der «Parsifal»-Neuinszenierung von ChristophSchlingensief für die Bayreuther Festspiele ist der erwartete Skandalausgeblieben. Zwar gab es auch heftige Buhrufe, als derTheaterprovokateur nach der Premiere am Sonntagabend vor den Vorhangtrat. Doch überwog insgesamt die Zustimmung. Prominente äußerten sichlobend bis begeistert über Schlingensiefs mit einer Überfülle vonBildern und Symbolen ausgestattete Inszenierung. FestspielchefWolfgang Wagner, mit dem Schlingensief manchen Streit ausgetragenhatte, sprach beim anschließenden Staatsempfang von einer «geglücktenAufführung».
Der Filmemacher und Regisseur, der seine erste Opernarbeitvorlegte, interpretiert Richard Wagners Spätwerk alsheidnisch-christliches Kultstück um Geburt, Tod und Erlösung. Dabeibedient er sich uralter Mythen und nimmt Anleihen bei afrikanischenTraditionen. Er zeigt die Gralsburg als einen Schmelztiegel vonNationen und Religionen, die gemeinsam des Frieden stiftendenErlösers harren. Immer wieder werden Szenen mit Videosequenzenüberblendet, als deren zentrale Figur Schlingensief - inspiriert vonJoseph Beuys - den Hasen ins Spiel bringt: Mythos der Fruchtbarkeit,Symbol der Friedenssehnsucht, doch auch Opfertier, am Ende - inbühnenfüllender Projektion auf die Leinwand geworfen - tot,verwesend.
Künstler und Intellektuelle zeigten sich von der überbordendenBilderwelt (Bühnenbild: Daniel Angermayr und Thomas Goerge, Kostüme:Tabea Braun) beeindruckt. «Eine wunderbare Zeichen- und Märchenoperganz im Geiste Wagners», sagte der Filmemacher Alexander Kluge.Schlingensief habe Richard Wagner «vom Kopf auf die Füße gestellt».Filmproduzent Bernd Eichinger nannte die Aufführung «fantastisch undmehr als gelungen».
Das Künstlerteam mit Schlingensief an der Spitze wurde beimStaatsempfang mit frenetischem Jubel und Fanfaren empfangen. BayernsMinisterpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte: «Wir sind alle sehrbeeindruckt. Hier wurde Mut gezeigt, etwas Neues zu wagen. Wir sindstolz auf die Festspiele.» Schlingensief selbst zog eine positiveBilanz. Das gespaltene Echo des Premierenpublikums habe ihn nichtüberrascht, aber einen Skandal habe er nicht gewollt. «Es war eineschöne Zeit, wir sind sehr erleichtert und sehr stolz», sagte derRegisseur. «Wir haben viel gekämpft, und das hat sich gelohnt. Wirwollten Bayreuth andere Bilder als gewöhnlich zeigen, und das habenwir geschafft.»
Eine musikalische Sternstunde gelang am Pult dem französischenDirigenten Pierre Boulez, der Richard Wagners «Weihfestspiel» flottanging und mit dem konzentriert aufspielenden Festspielorchester fürtransparenten, kristallenen Klang sorgte. Der Festspielchor sangmakellos. Unter den Sängern setzte Robert Holl als Gurnemanz Akzente.Auch John Wegner als Klingsor und Alexander Marco-Buhrmester alsAmfortas gestalteten ihre Rollen mit Expressivität. Dagegen konnteEndrik Wottrich, der sich im Vorfeld bitter über die Inszenierungbeklagt hatte, den markigen Worten keine sängerischen Glanztatenfolgen lassen, er blieb blass. Michelle de Young verlieh der Kundrymanch schmeichlerischen Ton, verstieg sich jedoch phasenweise inallzu schrille Töne.
