400. Todestag von William Shakespeare 400. Todestag von William Shakespeare: Zeitlos und unkaputtbar

Halle - Manche haben ja behauptet, der Mann, den man als William Shakespeare verehrt und der, als er vor 400 Jahren starb, ein Werk von gigantischer Größe hinterlassen hat, habe seine Dichtungen nicht allein schreiben können. Aber mit dieser akademischen Debatte wollen wir uns hier und heute nicht aufhalten. Denn das Werk eben ist es, um das es hauptsächlich geht, es ist vorhanden und handhabbar. Es liegt nicht in staubigen Schränken, sondern ist höchst lebendig, blutig oft, grausam, aber auch von großer Heiterkeit wie Weisheit und immer von Schönheit getragen.
Weltweite Faszination
Und es ist gegenwärtig auf den Bühnen, landauf, landab. Nicht nur in England, wo Shakespeare 1564 geboren worden ist und am 23. April 1616 starb, in Stratford-upon-Avon nahe Birmingham. Auch in Deutschland und überall sonst, auf der ganzen Welt wird der Dichter und Dramatiker in hohen Ehren gehalten.
Jeder hat irgendwann seinen Shakespeare zu sehen bekommen, als Schüler zumeist und auch später noch, wenn aus dem Knaben (oder Mädchen) ein Theatergänger geworden ist. Dann kann einem die grandiose, zwölfstündige Monster-Inszenierung von „Schlachten“ begegnet sein, eine Art Kompilation der Königsdramen Shakespeares, die Tom Lanoye und Luk Perceval Ende der 1990er Jahre auf die Bühne brachten, mit dem überragenden Thomas Thieme als Dirty Rich Modderfocker.
Unkaputtbar
Theatererlebnisse wie diese Großproduktion vergisst man nicht, aber wo auch immer an einem städtischen Schauspiel ein Shakespeare geboten wird: Es lohnt sich fast in jedem Fall! „Hamlet“, „Ein Sommernachtstraum“ und natürlich „Romeo und Julia“ sind so frisch wie am ersten Tag - ein Befund, der für viele, namentlich auch Dramen jüngeren Datums nicht zutreffend ist.
Auch hält Shakespeare einiges aus. Sofern man ihn nicht grob missversteht oder in dilettantische Hände gibt, kann die Texte eigentlich niemand richtig kaputt machen, dafür sind sie in ihrer ganzen dramatischen Wucht und sprachlichen Klarheit einfach zu dominant. Allein die Bibel, zumal das Alte Testament, spielt noch in dieser einsamen Liga. Wenn aber nicht länger über die Stücke gesprochen werden soll, die jedermann sehen kann und soll, gern öfter und immer wieder, wenn hier nicht über das Leben des Mannes aus wohlhabendem Hause spekuliert wird, der als erfolgreicher Schreiber und Bühnenbetreiber selbst zu Geld und hohem Ansehen gekommen ist - was dann soll es sein, das ihn noch besonders auszeichnet? Es ist eben die Sprache. Ein Gut, dessen Kostbarkeit heute nicht immer in bester Pflege ist. Das wird zu Shakespeares Zeit wie zu jeder anderen nicht anders gewesen sein, die billigen Lustbarkeiten kommen allemal mit wenigen Worten aus, Befehle auch. Liebesschwüre hingegen nicht, die, wenn sie etwas bewirken wollen und sollen, gern auch mal in Gedichtform auftreten. Sonette gelten dabei als die handwerklich hohe Schule.
Ein Sonett als Liebesbeweis
Bei dieser Form handelt es sich um streng gebaute, lyrische Gebilde, deren Anfertigung im bildungsbürgerlichen Zeitalter ein Zeitvertreib für schwärmerisch veranlagte junge Menschen gewesen ist. Der Angebeteten ein selbstverfasstes Sonett zu Füßen zu legen - das hat seinerzeit wenigstens so viel Eindruck gemacht wie heute ein digitales Blumensträußchen, das via Facebook geschickt wird. Texte wie Shakespeares Sonette aber, 154 hat man gezählt, sind noch von einem besonderen Kaliber. Sie zählen zum Schönsten, das der Dichter uns geschenkt hat, ihre Strahlkraft ist von unabsehbarer Dauer.
Nimmt man sich allein das Sonett Nummer 18 vor, ein Liebesgedicht, das hier als eines für alle stehen soll, wird die Gegenwart des Dichters fast körperlich: Das soll vor mehr als 400 Jahren geschrieben worden sein? Aber ja! Und was ist eigentlich so erstaunlich daran - wenn man sich erinnert, dass die biblischen Psalmen ja noch viel älter sind!
Poesie als Flucht aus dem Alltag
Dutzende und mehr von Nachdichtern haben sich an dem Text versucht, namhafte darunter wie Karl Kraus und Stefan George, aber auch weniger bekannte und fast schon vergessene wie Friedrich Bodenstedt (1819-1892), ein Schriftsteller aus Peine in Niedersachsen, der 1867 Intendant des Hoftheaters in Meiningen wurde, wo ihn der Herzog Georg II. schließlich in den Adelsstand erhob.
Und diesem Bodenstedt ist es gelungen, eine der schönsten Übertragungen von Shakespeares Sonett Nummer 18 zu schaffen, einen Text von solch überwältigender Innigkeit, dass man ihn sich heute unversehens zu eigen machen und wieder und wieder vorlesen mag.
„Soll ich Dich einem Sommertag / vergleichen? / Nein, Du bist lieblicher und frischer weit /Durch Maienblüthen raue Winde /streichen / und kurz nur währt des Sommers / Herrlichkeit.“
Damit beginnt der Text und nimmt den Leser, sofern sein Herz und seine Sinne diesem großen Gesang auf die Liebe aufgeschlossen sind, mit in eine Zeit, die über der Zeit steht. Das ist ja der Sinn von jeglicher Poesie, ihr Mehrwert, wie wir heute in marktwirtschaftlich gefärbtem Pragmatismus zu sagen oder jedenfalls zu hören gewöhnt sind: Dass sie mit wenigen Zeilen ein Gebäude errichten kann aus nichts als Worten, das beständiger ist als vieles, das wir bauen. Und das einen Trost, eine Freude bedeuten kann, die einen über das Maß des Alltäglichen zu heben vermag, wenn man es nur zulassen will.
Das Gedicht endet so: „So lange Menschen atmen, Augen / sehn, / Wirst Du, wie mein Gesang, nicht / untergehn.“ Wie Recht Shakespeare hatte, seinen Text betreffend - und alle Liebenden, die er zu allen Zeiten berührt. (mz)