1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. 3-D-Kino: 3-D-Kino: Schwindel und übel

3-D-Kino 3-D-Kino: Schwindel und übel

Von IRIS STEIN 07.05.2010, 15:30

Halle/MZ. - Schließlich wurde es richtig schrill mit der Titelung "Schmerzen beim Blick in die dritte Dimension" oder "3-D-Kino bis zum Erbrechen". Und sogar das erste Todesopfer stand in den Artikeln. Ein 42-jähriger Mann war in Taiwan an einer Hirnblutung gestorben, nachdem er sich "Avatar" angeschaut hatte, wurde vermeldet.

Fest steht: Bisher haben weltweit rund 200 Millionen Zuschauer "Avatar" in den Kinos gesehen. Angesichts dieser Zahl und der Häufigkeit des Auftretens von Hirnblutungen, ist es ziemlich verwunderlich, dass nur ein einziger Zuschauer als anschließend verstorben erfasst wurde. Nach aller Wahrscheinlichkeit dürften darüber hinaus beispielsweise auch eine ganze Reihe 3-D-Kinobesucher nach der Vorstellung einen Herzinfarkt erlitten oder sich mit Schweinegrippe infiziert haben. Der einzige Zusammenhang zwischen diesen Vorkommnissen besteht darin, dass je größer der Pool ist, aus dem man schöpft, umso größer auch die Zahl derer wird, bei denen sich mehrere Merkmale bündeln. Soviel zur Statistik.

Seit die Computer ins Arbeitsleben Einzug gehalten haben, kennen zahlreiche Nutzer das Problem der trockenen Augen. Diese sind gekennzeichnet durch das Gefühl kleiner Sandkörner im Auge und sorgen ganz im Gegensatz zur Bezeichnung für einen reichen Tränenfluss. Jeder PC-Spieler, der schon einmal einen Nachmittag oder auch eine ganze Nacht vor dem Bildschirm verzockt hat, weiß außerdem, dass er hinterher oft kaum vom Stuhl wieder hoch kommt, weil er in der Anspannung des konzentrierten Spiels völlig verkrampft ist. Und dem bei Orthopäden bekannten Tennisellenbogen ist längst der Mausarm gefolgt, der von einer Überlastung von Sehnen und Muskeln zeugt, wenn ständig die Computermaus geführt werden muss.

Fazit aus all diesen Fakten: Bei einer ungewohnten Anstrengung und einer einseitigen Belastung bestimmter Sinnesorgane oder Muskelgruppen reagieren diese nicht mit Wohlbefinden, sondern mit mehr oder weniger deutlichen Signalen bis hin zur Schmerzempfindung. Eine umwerfende Erkenntnis, fürwahr.

James Camerons Epos "Avatar" dauert knapp drei Stunden. Wer das Spektakel im 3-D-Format verfolgen will, muss eine Spezialbrille tragen. Ist jemand ohnehin schon Brillenträger, hat er zwei Brillen auf. Dass das für die Augen ein anstrengender Nachmittag oder Abend werden kann, liegt damit auf der Hand. Und so dürfte sich über gelegentliche Kopfschmerzen eigentlich niemand wundern.

"Wenn Sie Achterbahn fahren, wird Ihnen auch schlecht", meint Professor Dr. Gernot Duncker, Direktor der halleschen Universitäts-Augenklinik. Die berichteten unangenehmen Folgen für manche Kinobesucher seien medizinisch in keiner Weise relevant, so der Spezialist. Susanne Butros, Oberärztin der Uniklinik für Augenheilkunde in Ulm, erklärt Kopfschmerzen und Übelkeit so: "Der ungewohnte Seheindruck im 3-D-Kino fordert das Sehorgan vor allem zu Beginn stark: Unser Gehirn muss sich erst adaptieren."

Die technische Seite scheint ausschlaggebend dafür zu sein, wie anstrengend ein Kinoerlebnis in der dritten Dimension erlebt wird. Beim normalen Sehen wird aus zwei Bildern - vom rechten und vom linken Auge - im Gehirn ein räumliches Bild. Gleiches geschieht im Kino. Entweder werden mit zwei Projektoren zwei Bilder auf die Leinwand gebracht, die durch das Tragen der Spezialbrille gleichzeitig erfasst und im menschlichen Gehirn wieder zusammengefügt werden, oder ein moderner digitaler Projektor springt zwischen dem rechten und dem linken Bild hin und her. Das geschieht 144 mal pro Sekunde, ist für das Auge nicht wahrnehmbar - aber anstrengend.

Wird bei der Aufnahme oder der Wiedergabe nicht technisch präzise und mit modernsten Mitteln gearbeitet, entstehen hinsichtlich der Qualität fragwürdige Billigprodukte, die wegen technischer Unzulänglichkeiten tatsächlich zu Problemen führen können. Das allerdings hat nichts mit grundsätzlicher Unverträglichkeit von 3-D-Formaten zu tun. Und mit medizinisch relevanten Auswirkungen schon gar nichts. Aufwändig produzierte Filme minimieren mögliche Störfaktoren. Die Filmemacher wären wohl auch schlecht beraten, würden sie durch schludrige Produktion ihr potenzielles Publikum schon von vornherein vergraulen.

Und so wird man den Verdacht nicht los, die Diskussion um 3-D-Filme im Allgemeinen und "Avatar" im Besonderen ist nicht ganz redlich, sondern eine künstlich aufgebauschte, weil es sich so trefflich über eine "3-D-Krankheit" philosophieren und streiten lässt. Amerikanische Augenexperten sollen inzwischen vor 3-D-Filmen warnen. Ob dem so ist oder nicht: Ein lange Kinovorstellung mit einem dreidimensionalen Film ist eine Höchstleistung für Auge und Gehirn. Doch deshalb von dem Genuss abzuraten, ist fragwürdig. Auch ein Marathon ist eine Höchstleistung und selbst, wer sich im Fitness-Studio schafft, vollbringt eine solche. Wird deshalb vor sportlicher Betätigung gewarnt? Und sucht man anschließend mit Muskelkater den Hausarzt auf?

Sicher, es wird Experten geben, die meinen, so könne man sich Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit schön reden. Genau so sicher kann man das mit ein bisschen Schwindel auch übel groß reden. Doch es wird immer Personen geben, denen dieses oder jenes nicht bekommt. Ganz ohne medizinisches Problem im Hintergrund.