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1200 Jahre Bistum Halberstadt 1200 Jahre Bistum Halberstadt: Kerle in Strumpfhosen, Weiber mit Koteletten

Von Andreas Hillger 01.06.2004, 17:09

Halberstadt/MZ. - Dieser Heinrich Julius von Braunschweig (1564-1613), der später in Wolfenbüttel regierte, hatte die Moritat freilich tragisch gemeint - und würde mit ihrer Moral heute wohl nur noch Hohngelächter ernten. Um ihn zu schützen, hat der Halberstädter Jürgen Westphal die Geschichte mit neuen Konturen versehen, die Regisseur André Bücker mit grellen Farben ausmalt.

Die Grundidee ist simpel und historisch korrekt. Auf der Jahrmarktsbühne, die im Kreuzgang des Domes aufgeschlagen ist, werden alle Rollen von Männern gespielt - was um so komischer wirkt, weil es à la Mode neben Weibern mit Koteletten auch Kerle in Strumpfhosen gibt. Bei einer solchen Kostümierung schießt die Phantasie nicht nur schnell ins Kraut, sondern treibt auch komische Blüten: Aus braven Dienern werden Prügelknaben und aus allzu neugierigen Witwen zahnlose Invaliden. Mönche mischen in ihren Psalmgesang recht weltliche Frechheiten und derbe Kasperköpfe schmieden obszöne Reime. Und der Leibhaftige schlägt seine Trommel dazu...

Die Inszenierung, die auch von Suse Tobischs bunter Ausstattung profitiert, erhebt den Klamauk zum Konzept. Dies scheint angesichts einer Vorlage, die mit der Höllenfahrt der unschuldig in Versuchung gebrachten und schließlich erfolgreich verführten Ehefrau endet, nicht nur die einzig mögliche Vergegenwärtigung zu sein. Es funktioniert mit Darstellern und Zuschauern, die ihre Spiel- und Seherfahrungen eher auf Sat.1 als bei Hans Sachs geschult haben, zudem ausgesprochen gut.

Allerdings könnte dem Ur-Kritiker Beckmesser, der geschichtlich ja in ähnlichen Zeiten unterwegs war, ein dramaturgischer Mangel auffallen: Wenn man ein Stück in sein Gegenteil verkehrt, wäre eine Erklärung der Ursprungs-Variante - beispielsweise durch einen alternativen Schluss - wünschenswert. Wie soll man eine Parodie verstehen, ohne das Original zu kennen?

Nächste Vorstellung: 26. Juni, 20 Uhr, Schloss Westerburg