Zustand der Großen Koalition Zustand der Großen Koalition: In der schwarz-roten Ecke beruhigt Coach Merkel
Halle/MZ. - Schlagkraftund Ausdauer sind Voraussetzung, ganz nachoben zu gelangen. Dort warten Ruhm und Ehre- und die Gewissheit, dass dieser Status endlichist, weil schon der nächste Herausfordererdanach lechzt, den Champion zu stürzen.
Die Große Koalition in Berlin zeigt derzeitanschaulich, dass Politik und Boxen ein weiteresMerkmal verbindet: das Coaching. Geht es amRing doch darum, seinen Kämpfer aufzubauenund das Gefühl zu vermitteln, er habe allesim Griff - obwohl gerade eine krachende Geradedes Gegners mitten auf der Nase gelandet ist.Namhafte Trainer verwenden dafür so legendäreSätze wie: "Ganz ruhig, es läuft" - auch wennganz und gar nichts läuft.
Coach Angela Merkel in der schwarz-roten Eckehat diese Art der Betreuung übernommen. DieKanzlerin genießt allenthalben hohe Popularität,die tatsächlich das Gefühl vermittelt: Esläuft doch. Bei den Unternehmern wächst angeblichdie Zukunftssicherheit, bei den Konjunkturforschernder Optimismus, beim Verbraucher die Kauflust.All das mag stimmen. Ein messbarer Anlassfür diese Zuversicht lässt sich indes nichtausmachen.
Denn an den Problemen, die diese Regierungvor sechs Monaten angetreten ist zu lösen,hat sich seitdem kaum etwas geändert. DieEntwicklung unserer sozialen Sicherungssystemeist nach wie vor Besorgnis erregend. Die Kassenlagebei Bund, Ländern und Gemeinden bleibt angespannt.Die versprochene Flexibilisierung auf demArbeitsmarkt, die Senkung der Lohnnebenkostenund der Abbau bürokratischer Hemmnisse fürUnternehmer sind noch immer politische Absichtserklärungen,die brav rezitiert, aber nicht energisch umgesetztwerden. Bei der Gesundheitsreform wird weiterhinnach dem großen Kompromiss gesucht; ernsthafterwartet niemand mehr eine Lösung, die freivon klientelbedingten Rücksichtnahmen dieDinge wirklich zum Besseren wendet. SieheElterngeld.
Und Angela Merkel? Die nickt besorgt bei derBeschreibung der gesellschaftspolitischenSchwierigkeiten, ohne das Sonnenbad im Glanzeihrer Popularität zu unterbrechen. Auf Dauerwird es auch in der Wahrnehmung derer, diejetzt noch die heilende Wirkung eines Umschwungsnach Rot-Grün beschwören, nicht ausreichen,international eine gute Figur zu machen undnational als lächelnde Moderatorin zwischenden Regierungspolen aufzutreten.
Bisher hat diese Regierung, die niemals eineGemeinschaft des kleinsten gemeinsamen Nennerssein wollte, den anvisierten dritten Weg gründlichverpasst. Jetzt ist es höchste Zeit für politischeKärrnerarbeit.
Was sagte der Boxtrainer, der seinen Schützlingdas ganze Match lang beruhigt hatte, als sichin der neunten Runde dann doch eine Niederlagenach Punkten andeutete? "Jetzt musste wasmachen, immer druff."