Wolfgang Clement: Schon immer ein Querkopf
Berlin/dpa. - Die letzte Brücke, die ihm die Partei für den Rückweg in die SPD baute, betrat er nicht mehr. Nach 38 Jahren der Parteizugehörigkeit schmiss Wolfgang Clement - der ewig Unbequeme - sein Mitgliedsbuch hin.
Überraschend. Es war nach der Rüge der Bundesschiedskommission ein Abgang im Zorn. Den hatte mancher ihm schon vorher nahegelegt. Nach Monaten gegenseitiger Quälerei nahmen Sozialdemokraten vor allem vom linken Flügel und aus seinem Bochumer Ortsverein den Rückzug mit unüberhörbarem Aufatmen zur Kenntnis.
Nach dem Motto «viel Feind, viel Ehr», hatte der Querkopf aus dem Ruhrpott die SPD immer wieder gegen sich aufgebracht. Genossen rauften sich die Haare, wenn er für Atomkraft, mehr Zeitarbeit, weniger Kündigungsschutz, gegen Mindestlöhne stritt. Die indirekte Aufforderung, die hessische SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti nicht zu wählen, war im Januar nur noch der Tropfen, der in der Partei das Fass zum Überlaufen brachte.
Clements Stern als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war schon am Sinken, als ihn 2002 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder überraschend in Berlin zum Ressortchef für Wirtschaft und Arbeit machte. Als Super-Minister verkörperte er fortan in einer Person das - später gescheiterte - «Bündnis für Arbeit».
Sein Einsatz galt dabei eher - zum Wohlgefallen der Arbeitgeber - der Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes statt der Verteidigung sozialer Rechte. Seine Minijob-Regelung las sich wie ein Vorschlag aus dem Rezeptbuch der Union, mit der er im politischen Tagesgeschäft häufig liebäugelte. Clement setzte die Hartz-Reformen für den Arbeitsmarkt mit solcher Vehemenz um, dass die SPD daran noch heute leidet.
Mit seinem Namen verbunden bleibt der Nachkriegsrekordstand bei den Arbeitslosenzahlen mit 5,2 Millionen im Februar 2005 - auch als ein Ergebnis der jahrelang schwächelnden Konjunktur. Die Früchte seiner Arbeit, den Aufschwung am Arbeitsmarkt, konnte er nicht mehr ernten: Mit dem Antritt der großen Koalition im Herbst 2005 war Clement - auf Betreiben des damaligen SPD-Partei- und Fraktionschefs Franz Müntefering - als Ressortchef abgemeldet.
Menschen, die mit ihm zusammengearbeitet haben, erinnern sich an einen cholerischen Hitzkopf mit autoritärem Führungsstil. «Er war ein unglaublicher Wüterich und Egomane, der kaum einen Rat angenommen hat», sagt ein früherer Mitarbeiter. Viele denken noch mit Schrecken zurück, dass der «Workaholic» fast täglich mit neuen Plänen im Regierungsviertel für Unruhe sorgte. Heute ist der 68-Jährige als Lobbyist für Energie und Zeitarbeit unterwegs.
Journalisten stauchte er - früher selbst Journalist - schon mal für «dusselige Fragen» zusammen, schreckte auch vor Wutausbrüchen vor laufender Kamera nicht zurück. Im Foto dokumentiert ist, wie Clement den «Stinkefinger» zeigt. Dabei hat der bekennende VfL-Bochum-Fan und passionierte Jogger auch ganz andere Seiten: Wenn er auf seine fünf Töchter zu sprechen kommt, nennt er sie schon mal liebevoll «meine Clementinen».
Kaum hatte sich die SPD-Bundesschiedskommission für den Verbleib Clements in der Partei ausgesprochen, ihn aber wegen SPD-kritischer Äußerungen gerügt, keilte er selbstgerecht zurück: Eine Rüge sei «unangemessen». Am Tag danach dann der Schlussstrich, verbunden mit einer Ankündigung. Auch nach seinem Austritt wolle er bei den Diskussionen um Energie- und Wirtschaftspolitik und das Verhältnis zur «PDS-Linken» kräftig mitmischen, nun aber «als Sozialdemokrat ohne Parteibuch». Die Erklärung klang wie eine Drohung.