Schlechte Ernte und Mindestlohn Wie der "Obsthof Am Süßen See" mit schlechter Ernte zurechtkommt

Aseleben - An der Kasse hat sich eine kleine Schlange gebildet: Kunden vollgepackt mit Apfeltüten stehen am Tresen und lassen ihr Obst wiegen. „Ältere Kunden kaufen häufig die Sorte Shampion, weil die etwas weicher ist“, erklärt die Verkäuferin. Jüngere lieben eher den Pinova, der fest und säuerlicher ist.
Die wartenden Kunden des Hofladens am Süßen See kommen nicht nur aus der Umgebung von Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz). Auf dem Parkplatz stehen Fahrzeuge mit Kennzeichen aus Leipzig, dem Burgenlandkreis und Halle. „Die Direktvermarktung ist ein kleines, aber wachsendes Standbein“, sagt Philipp Moser, Chef des „Obsthofes Am Süßen See“.
„Obsthof Am Süßen See“ bewirtschaftet 230 Hektar
Das pralle Angebot von insgesamt 14 Sorten im Laden spiegelt aber wenig die aktuelle Situation des großen Obstanbau-Betriebes, der 230 Hektar bewirtschaftet. Denn die Ernte fällt in diesem Jahr schlecht aus.
Durch die Nachtfröste rund um den 18. Mai mit Temperaturen von Minus drei Grad Celsius sind viele Blüten abgestorben. Jetzt zur Ernte hängen deutlich weniger Äpfel an den Bäumen. „Wir rechnen mit Einbußen von einem Drittel gegenüber dem Vorjahr“, sagt Moser. Landwirte in Süddeutschland hat es noch härter getroffen. Stellenweise liegen die Rückgänge bei mehr als 90 Prozent.
In Deutschland wird mit 550.000 Tonnen der niedrigste Ertrag seit der Wiedervereinigung prognostiziert. Ohnehin werden 60 Prozent der in Deutschland gegessenen Äpfel aus dem Ausland importiert. Der Anteil wird in diesem Jahr noch steigen.
Preise für die Handelsklasse I um 50 Prozent gestiegen
Die geringe Ernte führt aber auch zu höheren Preisen. Laut Landesverband „Sächsisches Obst“, zudem auch die Betriebe in Sachsen-Anhalt gehören, sind die Preise für die Handelsklasse I um 50 Prozent gestiegen. Für Moser bedeutet diese Zahl allerdings wenig. „Hohe Preise gibt es nur bei besten Qualitäten. Wie viele Früchte das bei uns erreichen, weiß ich noch nicht“, so der Landwirt. Der Handel fragt vor allem nach Äpfeln mit einer Norm von 70 bis 75 Millimeter im Durchmesser. Ist der Apfel zu groß oder zu klein, landet er nicht mehr im Supermarkt, sondern eher in der Mosterei.
Da viele Blüten auf Mosers Plantagen abgestorben waren, bekamen die verbliebenen Äpfel mehr Nährstoffe. „Die werden dann groß und prall, für uns kann das aber ein Nachteil sein“, erklärt der Firmenchef. Er könne daher noch nicht absehen, ob es finanzielle Einbußen gibt und wie hoch diese ausfallen. Schutz vor Frost im Frühjahr bietet nur eine Beregnung der Plantagen.
Beim Gefrieren des verteilten Wassers wird auf den Pflanzen sogenannte Kristallisationswärme freigesetzt, so dass in der Regel Blätter und Blüten vor Frostschäden bewahrt werden. Auf den 2,5 Hektar Aprikosen-Plantagen nutzt der Obsthof das Wasser des Süßen Sees für eine solche Beregnung. „Für die Äpfel würden wir aber viel zu viel Wasser benötigen“, erklärt Moser.
Saisonkräfte aus Osteuropa
Damit der Hof auch schlechte Ernten gut übersteht und den geforderten Mindestlohn an die Beschäftigten zahlen kann, gibt es nach Worten des Obsthof-Chefs den „Zwang zur Effizienz“. Überall dort, wo eine Automatisierung möglich sei, werde diese auch durchgeführt. So fahren zur Ernte kleine Fahrzeuge mit Hebebühnen durch die Plantagen.
Etwa 180 Saisonkräfte, die vor allem aus Polen stammen, pflücken die Äpfel im Akkord. Über kleine Förderbänder gelangt das Obst in große Kisten. Gepflückt wird an jedem Baum zwei bis dreimal pro Ernte. Der Aufwand ist groß.
Wenn Moser könnte, würde er auch sofort Pflückroboter einsetzen. „So weit ist die Technik allerdings noch nicht.“ Mit Streuobstwiesen, auf denen Menschen privat ihre Äpfel für Kuchen oder Mus lesen, hat die moderne Plantagenwirtschaft immer weniger gemein.
Moser: „Die Bauern berichten zu wenig über ihre Arbeit“
Moser ist es allerdings wichtig, dass die Menschen in der Region, weiter wissen, wie die Natur agiert und die Landwirtschaft funktioniert. Regelmäßig sind Schulklassen auf dem Hof. „Viele Kinder wissen nicht mehr, wann Ernten sind, da im Supermarkt das ganze Jahr über jedes Obst verfügbar ist.“ Der Landwirt sagt das nicht vorwurfsvoll. In der Vergangenheit hätten viele landwirtschaftliche Betriebe ihre Tore kaum für die Bevölkerung geöffnet. „Die Bauern berichten zu wenig über ihre Arbeit“, ist Moser überzeugt.
Auch deswegen gibt es in Aseleben den Verkaufsladen - als Aushängeschild für den Hof. Für einen Plausch mit der Verkäuferin bleibt immer etwas Zeit. Diese verrät dann, welches Obst wie am besten gelagert wird. Und dass Männer oft bei der Sorte Gala zugreifen, denn diese sei süßer als andere. (mz)