Waschmittelwerk Genthin Waschmittelwerk Genthin: Unsichere Zukunft für das Traditionsunternehmen

Genthin - Eine Überraschung ist die erneute Pleite nicht mehr: Seit Monaten kämpft das Waschmittelwerk Genthin mit Auftragsrückgängen. Als im April laut Betriebsrat erstmals die Löhne ausblieben, dürfte für viele Beschäftigte schon klar gewesen sein, was seit gestern offiziell ist. Der Mutterkonzern Gemini ist insolvent. Das bestätigte Betriebsratschef Olaf Thiele der MZ. Damit steht auch die Traditionsfirma aus Genthin im Jerichower Land erneut vor einer ungewissen Zukunft.
Viele Tiefschläge in kurzer Zeit
Es ist für die noch verbliebenen 132 Beschäftigten der dritte Tiefschlag innerhalb weniger Jahre. 2009 gab der Waschmittelriese Henkel überraschend den Traditionsstandort auf. Damit wanderte die Produktion der Waschmittel Persil und Spee ab. Als Retter in der Not präsentierte sich damals die Duisburger Hansa Group. Diese produzierte in Greven und Ibbenbüren (beide Nordrhein-Westfalen) bereits Reinigungs- und Putzmittel. Nach der Übernahme wurde das Waschmittelwerk mit damals 200 Beschäftigten auch ausgebaut. Gefördert durch das Land Sachsen-Anhalt entstand für 50 Millionen Euro eine neue Tensidanlage. Tenside werden in Waschmitteln eingesetzt, sie unterstützen das Ablösen von Schmutzartikeln aus festen Stoffen. Doch das Geschäft entwickelte sich nicht so, wie geplant. Im Juli 2014 beantragte Hansa eine Insolvenz in Eigenverwaltung.
Ermittlungsverfahren wegen Bilanz- und Subventionsbetruges
Im November übernahm dann die Schweizer Gemini Holding das Werk. Pikant daran: Die alte Hansa-Führung ist zumindest teilweise auch die neue von Gemini. Gegen die Geschäftsführer der ehemaligen Hansa Group läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Bilanz- und Subventionsbetruges, berichtete die Nachrichtenagentur dpa im April 2015. Nach Angaben der Bielefelder Staatsanwaltschaft wird dem Brüderpaar vorgeworfen, von 2007 bis 2012 Bilanzen geschönt zu haben, um Wertzuwächse vorzutäuschen. Dabei soll es um eine Summe von mehr als 100 Millionen Euro in den Firmenbüchern gehen. Das Land Sachsen-Anhalt hatte Hansa mit 9,1 Millionen Euro gefördert. Die Mittel seien mit der Insolvenz zurückgefordert worden, teilte die Investitionsbank Sachsen-Anhalt gestern auf MZ-Anfrage mit. Das Verfahren laufe noch.
Zukunft ist offen
Wie es nun in Genthin weitergeht, ist offen, die Situation unübersichtlich: Das Amtsgericht Duisburg, wo der Insolvenzantrag einging, muss nun einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmen. Eine Gemini-Tochter, die ebenfalls in Genthin aktiv ist, ist offenbar nicht insolvent. Bei Gemini war gestern Nachmittag kein Sprecher zu erreichen.
Der Bezirksleiter der Gewerkschaft IG BCE, Erhard Koppitz, bittet die Landesregierung, sich für den Erhalt des Werkes stark zu machen. „Der Traditionsstandort darf nicht verfallen“, so Koppitz. Es gebe moderne Anlagen, eine gut ausgebaute Infrastruktur und vor allem hochqualifizierte Beschäftigte.
Die wirtschaftliche Situation ist offenbar schwierig: Nach Angaben von Betriebsratschef Thiele seien nach der Insolvenz von Hansa einige Kunden abgesprungen. Es sei bisher nicht gelungen, diese Aufträge zurückzuholen. „Es muss nun schnell eine Lösung gefunden werden“, sagt Thiele. Neben Tensiden werden in Genthin auch Duschgel und Seifen hergestellt. (mz)