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VW droht Milliarden-Strafe VW droht Milliarden-Strafe: Imagekatastrophe für Volkswagen

Von Stefan Sauer 20.09.2015, 16:37
Die Manipulation des Schadstoffwertes von einigen Dieselautos auf dem US-Markt könnte das Unternehmen Volkswagen teuer zu stehen kommen.
Die Manipulation des Schadstoffwertes von einigen Dieselautos auf dem US-Markt könnte das Unternehmen Volkswagen teuer zu stehen kommen. AFP Lizenz

Berlin - Es ist nicht eine dieser Rückrufaktionen, an die man sich schon gewöhnt hat. Es geht nicht nur um fehlerhafte Radlagergehäuse oder unzuverlässige Airbags. Solche Pannen sind ärgerlich für die Kunden und teuer für die Unternehmen. Mehr aber auch nicht. Diesmal, bei VW, ist es mehr. Eine „Imagekatastrophe par exellence“, nennt der auf die Autobranche spezialisierte Wirtschaftswissenschaftler Ferdinand Dudenhöfer von der Uni Duisburg-Essen den Skandal um manipulierte Schadstoffwerte von VW- und Audi-Modellen in den USA. Und er fordert Konsequenzen auf höchster Ebene.

Als direkter Verantwortlicher für Forschung und Entwicklung habe Konzern-Vorstandschef Martin Winterkorn entweder von den Manipulationen gewusst oder aber er sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff: „In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspitze nicht mehr tragbar ist.“

Drohende Strafe von 18 Milliarden Dollar

Angesichts einer drohenden Strafzahlung von bis zu 18 Milliarden US-Dollar scheint es nicht ausgeschlossen, dass sich maßgebliche Persönlichkeiten, etwa im Konzernaufsichtsrat, dieser Ansicht anschließen. Dabei schien die Führungsfrage im Konzern endlich geklärt, nachdem Winterkorn im Frühjahr einen wochenlangen Machtkampf mit dem langjährigen Chefaufseher Ferdinand Piech für sich entschieden hatte. Es ist gerade drei Wochen her, dass Winterkorns Amtszeit vom Aufsichtsratspräsidium bis Ende 2018 verlängert wurde. Nun steht die Führungsfrage erneut im Raum.

Aber das ist für den Weltkonzern mit zwölf Einzelmarken nicht einmal das Schlimmste. Es geht um die Zukunft des Unternehmens auf einem der größten Automobilmärkte der Welt. In den USA lahmt der VW-Absatz ohnehin, das Minus der Kernmarke im August belief sich gegenüber dem Vorjahresmonat auf gut acht Prozent. Nut die Dieselfahrzeuge, die der Konzern als umweltfreundliche „clean Diesel“ bewarb, liefen leidlich gut. Und nun das: VW hat ganz offenbar mit Hilfe einer speziellen Programmierung die Steuerungssoftware so manipuliert, dass die Dieselmotoren während der Tests zur Abgaskontrolle automatisch gedrosselt werden, um die Grenzwerte einhalten zu können. Im Normalbetrieb würden die gesetzlichen Höchstgrenzen dann aber um bis zum 400-fachen überschritten, wie die kalifornische Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) feststellte.

Gezielte Manipulation und Täuschung der Kunden

Es handelt sich also nicht um einen misslichen Produktionsfehler, sondern um gezielte Manipulation und um Täuschung der Kunden. Betroffen sind vor allem die Modelle Jetta, Golf und Beetle der Baujahre 2009 bis 2015, der Passat 2014 und 2015 sowie ein Modell von Audi. Laut EPA sollen insgesamt 482 000 Fahrzeuge zurück gerufen werden. „Sich solcher Methoden zu bedienen, um die Klimaschutzstandards zu umgehen, ist illegal und eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit“, sagte EPA-Sprecherin Cynthia Giles am Wochenende. Das Vertrauen der nordamerikanischen Verbraucher dürfte VW damit auf Jahre hin verspielt haben.

Betroffen von dem Skandal ist nach Ansicht des Auto-Experten Stefan Bratzel von der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach nahe Köln nicht allein VW. Auch Mercedes und BMW, die den Dieselantrieb in den USA als saubere Alternative bewürben, hätten zu leiden. „Das ist ein Bärendienst für die ganze deutsche Dieseltechnologie“, sagte Bratzel der Deutschen Presseagentur. Und was sagt VW? Volkswagen nehme die Vorwürfe sehr ernst und kooperiere mit den untersuchenden Behörden aufs Engste, um die Vorwürfe aufzuklären. Umwellschutz und Nachhaltigkeit gehörten zu den „strategischen unternehmenszielen“, so ein Sprecher.

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Ungeachtet solcher Versicherungen dürfte sich auch in Deutschland und Europa mancher Kunde fragen, ob die von VW-Angaben zu den Abgasschadstoffen der Wahrheit entsprechen. Dass hiesige Modelle ebenfalls mit der Schummel-Software ausgestattet sein könnten, mag Autoexperte Dudenhöfer nicht ausschließen. „Wenn ein Weltkonzern auf einem so wichtigen Markt wie dem nordamerikanischen die Werte manipuliert, dann sollte dringend überprüft werden, ob das nicht auch bei uns geschehen ist“, so Dudenhöfer zu dieser Zeitung.

Künftig sollten vorsätzlich falsche Herstellerangaben in umwelt- und gesundheitspolitisch sensiblen Bereichen nach Ansicht des Wissenschaftlers in Deutschland auch strafrechtlich verfolgt werden. „Der Justiz- und der Umweltminister müssen gemeinsam dafür sorgen, dass solche Praktiken unter das Strafrecht fallen.“ Im aktuellen Fall würde eine solche Reform allerdings auch nicht mehr ändern. Gegen möglicherweise manipulierte Schadstoff-Angaben sind bisher lediglich zivilrechtliche Klagen möglich.

Konsequenzen fordert auch Deutsche Umwelthilfe (DUG), die seit langem auf gefälschte Herstellerangaben zu Treibstoffverbräuchen und Schadstoffbelastungen durch Dieselmotoren hinweist. Seit zehn Jahren würden die Grenzwerte für giftiges Stickstoffoxid (NO2) in deutschen Städten überschritten. Ein Viertel der gesamten städtischen NO2-Belastung gehe auf Dieselfahrzeuge zurück. In einer aktuellen Studie komme das renommierte King‘s College London zu dem Ergebnis, das allein im Jahr 2010 in der britischen Hauptstadt 5879 Menschen vorzeitig an der NO2-Belastung gestorben seien. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch möchte daher sogar ein Diesel-Verbot durchsetzen: „Wir werden nun vor den nationalen Gerichten Fahrverbote für Diesel-PKW erstreiten.“