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Volkswagen-Hauptversammlung Volkswagen-Hauptversammlung: Ferdinand Piëch in aller Munde

Von Frank-Thomas Wenzel 05.05.2015, 13:56
Aktionäre bei der VW-Hauptversammlung in Hannover.
Aktionäre bei der VW-Hauptversammlung in Hannover. dpa Lizenz

Berlin - Es ist eine Demonstration der ganzen Pracht und Herrlichkeit des Volkswagen-Konzern. Für die Hauptversammlung ist eine Autoausstellung aufgebaut worden – mit den neuesten Modellen aller zwölf Marken: Die VW-Familie feiert sich in Hannover und versucht die jüngste Vergangenheit aufzuarbeiten – den Machtkampf von Vorstandschef Martin Winterkorn gegen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, der zurückgetreten, aber dennoch in Hannover allgegenwärtig ist.

Beim Rundgang durch die Mini-IAA vor Beginn der Versammlung ist Vorstandschef Martin Winterkorn der Hauptdarsteller, sekundiert von den Aufsichtsräten Wolfgang Porsche und Stephan Weil, Niedersachsens Ministerpräsident. Den neuen Skoda Superb schaut sich Winterkorn ganz genau an – umringt von einem größeren Trupp von Kameraleuten und Fotografen. Winterkorn streichelt das Lenkrad des Superb, prüft den Klang beim Schließen der Fahrertür und lässt sich von Skoda-Chef Winfried Vahland erläutern, wie viel Platz auf der Rückbank ist. Winterkorn betastet auch immer wieder die schmale Regenrinne, die längs über das Dach führt. Er prüft, ob von den Schweißnähten in der Rinne noch etwas zu spüren ist: Winterkorn gilt als Qualitätsfanatiker.

„Außergewöhnlichen Verdienste“

Er begutachtet auch den Supersportwagen Lamborghini Asterion, der dank Plug-In-Hydrid nur 98 Gramm CO2 ausstößt. Er macht beim Audi RS 6 (560 PS) und beim Porsche 918 Spyder (Preis mindestens 768000 Euro) Halt. Beobachter sagen, der Rundgang sei ungewöhnlich ausführlich ausgefallen. Winterkorn, Weil und Porsche lächeln viel in die Kameras. Die Botschaft ist klar: Die zentralen Akteure des Machtkampfs der vergangenen Wochen wollen Harmonie demonstrieren. Es sei gut, „jetzt wieder in ruhigem Fahrwasser“ unterwegs zu sein, sagt Winterkorn in seiner Rede.

Doch an  Piëch kommt keiner vorbei. Der kommissarische Aufsichtsratschef Berthold Huber, Ex-IG-Metall-Chef, rühmt die „außergewöhnlichen Verdienste“ des 78Jährigen. Er habe die Automobilindustrie in den vergangenen fünf Jahren geprägt wie kein Zweiter, sagt Winterkorn. Dafür gibt es langen Applaus.

Doch was war das, was da in den vergangenen drei Wochen passierte? „Wir wissen es nicht“, beschwert sich Ulrich Hocker von der Aktionärsschützer-Organisation DSW. Das sei ein Desaster für den Konzern. Es gebe lediglich Spekulationen. Huber müsse jetzt mitteilen, was er wisse. Doch was hinter den Kulissen passierte, wird auf der Hauptversammlung nicht vom Aufsichtsratschef enthüllt.

Fest steht nur, Piëch versuchte, in einem Coup Winterkorn abzusetzen, um offenbar einen Strategiewechsel durchzusetzen. Doch das Präsidium des Aufsichtsrats, zu dem auch Stephan Weil und Wolfgang Porsche gehören, stellte sich gegen den langjährigen Aufsichtsratschef und zwangen ihn zum Rücktritt.

Aktionäre übernehmen Piëch-Rolle

Die Aktionäre übernahmen selbst quasi als Piëchs Stellvertreter die Rolle der Kritiker des Vorstandschefs. Zum Beispiel beim Thema China. Mehrfach wurde der Ausbau der Kapazitäten in der Volksrepublik kritisiert. Im Jahr 2019 will der Konzern in der Lage sein fünf Millionen Auto pro Jahr zu bauen. Ein Vertreter der Belegschaftsaktionäre sieht hier eine doppelte Gefahr: Überkapazitäten und das Risiko einer massiven Abhängigkeit vom chinesischen Markt, was auch Abhängigkeit von den Regierenden im Reich der Mitte bedeutet. Auch viele Experten warnen, dass angesichts eines langsamer wachsenden Marktes, Umsätze und  Renditen auf dem mit Abstand wichtigsten Markt für VW einbrechen könnten. Oder der US-Markt: Der ist im vorigen Jahr gewachsen. Doch für die Marke VW gab es massive Einbußen, obwohl dort eine spezielle Variante des Passats zu einem günstigen Preis angeboten wird. Aktionäre sehen das als Beweis dafür, dass es schlicht das falsche Auto ist. Hocker beklagt denn auch, dass ein SUV für die USA dringend gebraucht werde.

Winterkorn war defensiv im Rechtfertigungsmodus unterwegs. Für die USA gebe es einen dezidierten Masterplan. Neue Modelle sollen künftig in kürzeren Abständen kommen. Im zweiten Halbjahr will es der Konzern mit einem überarbeiteten Passat versuchen. 2016 soll das SUV kommen. Die Gefahr der Überkapazitäten in China sieht er nicht. Der Markt wachse zwar langsamer. „Aber: Wir trauen uns dort noch sehr viel mehr zu.“

An einem Billig-Auto für Schwellenländer, noch so ein Kritikpunkt, werde intensiv gearbeitet. „Wir nehmen uns dafür die Zeit, die wir brauchen.“ So oder ähnlich lauten die Aussagen zu diesem Thema seit Jahren. Und zur mangelnden Profitabilität und den notwendigen Kostensenkungen bei der  Kernmarke VW teilte der VW-Chef pauschal mit, man habe „inzwischen Verbesserungschancen in einer Größenordnung von etwa der Hälfte der angestrebten fünf Milliarden Euro identifiziert“.

Aber immerhin konnte Winterkorn verkünden, dass die vielfach angemahnte Integration in der Nutzfahrzeugsparte voran kommt. Die schwedische Tochter Scania wird nun mittels einer Holding mit MAN zusammengeführt.

Offen blieb auch dringendste Personalfrage: Wer wird neuer Aufsichtsratschef? Huber betonte, das werde nicht „binnen kürzester Zeit geklärt.“ Man will in Ruhe suchen. Unter Aktionären kursierte indes die Vermutung, dass Winterkorn den Job übernehmen könnte. Skoda-Chef Vahland könnte dann zum Zuge kommen. Er gilt als heimlicher Kronprinz - Skoda ist die Marke der Stunde im Konzern. Hier gibt es derzeit viele gute Nachrichten mit steigenden Umsätzen und noch stärker steigenden Gewinnen.