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VW Volkswagen: Darum stehen bei VW die Bänder still

Von Frank-Thomas Wenzel 19.08.2016, 14:27
Ein Streit mit einem Zulieferer beeinträchtigt die Produktion des VW Golf.
Ein Streit mit einem Zulieferer beeinträchtigt die Produktion des VW Golf. dpa

Berlin - Bei Volkswagen stehen die Bänder still, wegen eines bizarren Streits mit einem Zulieferer, der die Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen eingestellt hat. 20.000 Beschäftigte müssen deshalb nächste Woche wohl in Kurzarbeit gehen. Wir erläutern, was das für den ohnehin schon heftig gebeutelten Konzern bedeutet.

Um welche Zulieferer handelt es sich?

Es geht um zwei Unternehmen, die zur mittelständischen Zulieferer-Gruppe Prevent gehören: Die Firma Car Trim aus dem sächsischen Plauen fertigt Sitzbezüge, die an ein VW-Komponentenwerk gehen, das Autositze für zahlreiche Modelle des Konzerns herstellt. Die Firma ES Automobilguss versorgt VW mit Gehäuseteilen für Getriebe.

Car Trim hat schon vor einiger Zeit die Lieferungen eingestellt, mit der Folge dass die Fertigung verschiedener Varianten des Passat in Emden gestoppt werden musste. Für 7.500 Beschäftigte wurde Kurzarbeit angemeldet. Der Lieferstopp der ES Automobilguss aus dem Erzgebirge bewirkt, dass im Kasseler VW-Werk Getriebe für den Golf nicht mehr gefertigt werden können, was wiederum die Produktion des Kompaktwagens in Wolfsburg massiv beeinträchtigt. Sie soll vom 20. bis 29. August ausgesetzt werden.

Derzeit prüft das Management deshalb die Kurzarbeit für auf insgesamt 20.000 Beschäftigte auszuweiten, auch die Standorte Kassel und Zwickau wären betroffen.


Was ist der Grund für den Lieferstopp?

Weder Volkswagen noch Prevent haben sich bislang dazu geäußert. Stattdessen ein Sprecher des Braunschweiger Landgerichts. Er sagte: „Es werden Ansprüche geltend gemacht, die aus einer anderen, letztlich nicht zustande gekommenen Geschichte hergeleitet werden.“ Es kursiert die Spekulation, dass es sich um ein gescheitertes Entwicklungsprojekt mit Car Trim halten soll, bei dem beide Firmen sich die Aufwendungen teilen wollten.

Car Trim soll angeblich überzogene Kosten geltend gemacht haben, was Volkswagen nicht akzeptieren wollte. Branchenkenner vermuten aber, dass mehr dahinter steckt – womöglich ein ausgelaufener Großauftrag, der nicht verlängert wurde – mit heftigen Folgen für Car Trim. Daraufhin stoppte Prevent die Lieferungen seiner beiden Töchter.

 

Was hat Volkswagen dagegen unternommen?

Dagegen zog Volkswagen vors Braunschweiger Landgericht und erwirkte eine Einstweilige Verfügung, gegen die Prevent Widerspruch eingelegt hat. Darum soll es aber erst am 31. August in einer mündlichen Verhandlung gehen. Das VW-Management jedenfalls hat seine Gangart schon am Freitag verschärft.

Die zwangsweise Durchsetzung der Belieferung werde vorbereitet, mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln, sagte ein VW-Sprecher. Dazu gehörten Ordnungsgeld, Ordnungshaft und Beschlagnahme. Das könnte soweit gehen, dass ein Gerichtsvollzieher mit Unterstützung der Polizei dafür sorgt, dass vor allem Getriebegehäuse zu VW gebracht werden.

 

Wie groß sind die finanziellen Folgen für Volkswagen?

Die Auto-Experten der UBS rechnen vor, dass pro Woche allein in Wolfsburg rund 17.000 Autos gebaut werden, die dem Unternehmen einen Rohertrag (Umsatz abzüglich Materialkosten) von rund 100 Millionen Euro bringen. Allerdings wird am Stammsitz nur ein Teil der Produktion lahmgelegt. Dennoch ist mit Einbußen beim Rohertrag in einer hohen zwei zweistelligen Millionensumme zu rechnen.

 

Wer trägt die Schuld an dem Desaster?

Das ist aufgrund der nur spärlichen Informationen, die bislang bekannt ist, schwer zu entscheiden. Klar ist aber, dass ein Lieferstopp die größte anzunehmende Panne für einen Autobauer ist. Die Frage ist, ob der Produktionsausfall wieder aufgeholt werden kann.

 

Hat Volkswagen Fehler gemacht?

Für Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer haben der VW-Einkaufschef Beschaffungsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz und sein Vorstandsbereich „wenig professionell gehandelt“. Offenbar sei ES Automobilguss der einzige Lieferant des besagten Getriebegehäuses, das im Werk Kassel verbaut wird. Der Lieferstopp könnte damit für längere Zeit die Produktion bei VW lahmlegen.

Dudenhöffer macht darauf aufmerksam, dass es in der Branche schon fast ein ehernes Gesetz sei, sich nicht von einem einzigen Lieferanten abhängig zu machen. Wenn ein Weltkonzern sich dennoch darauf einlasse, müsse es sehr solide und äußert stabile Geschäftsbeziehung sein.

 

Wie steht es um die Prevent-Gruppe?

Bei der Prevent-Gruppe sehe es eher nach einer weniger stabilen Grundlage aus, so Dudenhöffer. Ein Teil des Unternehmens sei vor ein paar Jahren durch eine Insolvenz gegangen. Zusätzlich seien Unternehmen aus Insolvenzen aufgekauft worden. Der Lieferstopp deutet darauf hin, dass der Zulieferer sich in einer „ausweglosen Lage“ befinde, sonst macht er diesen Schritt nicht, der ihn in seiner Existenz bedrohe.

 

Wie lässt sich der Konflikt lösen?

In einer solchen Situation dürfe ein Autobauer nicht noch mehr Druck machen, vielmehr müsse er die Lage entspannen, so Dudenhöffer. Schließlich komme es darauf an, dass die Produktion so schnell wie möglich wieder ins Laufen komme. Eventuell könne ein Moderator erwirken, dass sich die Streithähne an einen Tisch setzen, um den Konflikt außergerichtlich zu klären. Als Vermittler wäre der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) denkbar, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt.