Vetter Touristik in Salzfurtkapelle Vetter Touristik in Salzfurtkapelle: Chefinnen sprechen über turbulente Anfänge und veränderte Reisegewohnheiten

Salzfurtkapelle - Die Firma Vetter Touristik, eines der größten Tourismus-Unternehmen in Sachsen-Anhalt, feiert in diesem Jahr 25-jähriges Firmenbestehen. Es ist fest in Frauenhand. Birgit Vetter, 60, und ihre Tochter Kristin Vetter, 31, führen das Unternehmen in Salzfurtkapelle (Anhalt-Bitterfeld) seit acht Jahren. Felix Knothe sprach mit ihnen über turbulente Anfänge und veränderte Reisegewohnheiten.
Herzlichen Glückwunsch zum Firmenjubiläum. Sind 25 Jahre ein stolzes Alter, oder fühlen Sie sich als Unternehmen noch jung?
Kristin Vetter: Vielen Dank. Ich würde sagen, beides. Der Familienbetrieb Vetter wurde schon 1946 gegründet, feiert also nächstes Jahr 70. Geburtstag. Das ist schon ein stolzes Alter. Diese Firmensparte, das Busgeschäft, leiten mein Vater und mein Bruder. Meine Mutter und ich haben also wirklich den jüngeren Teil unter unseren Fittichen, die Vetter Touristik. Trotzdem können wir auf die 25 Jahre stolz sein. Meine Eltern haben die Vetter Touristik direkt nach der Wende gegründet.
Welche Erinnerungen haben sie an diese Anfangszeit?
Birgit Vetter: Das war Euphorie und Aufbruch pur. Unsere Familie lebte in Thüringen, aber schnell war klar, dass die Zukunft in Sachsen-Anhalt liegt. Wir haben schnell das in der DDR enteignete Unternehmen zurückgekauft, unsere Jobs aufgegeben und angefangen, etwas eigenes aufzubauen. Das erste Reisebüro entstand noch in Sonneberg im Hinterhaus, das zweite in Wolfen-Nord. Und weil die Leute damals einfach nur reisen wollten, gab es natürlich einen ungeheuren Bedarf. Wir haben im Touristik-Geschäft mit drei Bussen angefangen, die wir gebraucht auf Kredit im Westen gekauft hatten - ein großes Wagnis im Frühjahr 1990. Heute haben wir 20 Reisebusse, rund 100 Mitarbeiter und 75 000 Kunden im Jahr.
Wohin ging die erste Busreise?
Birgit Vetter: Nach Paris. Die Leute haben Schlange gestanden - und mit DDR-Mark bezahlt. Es ging in drei Tagen hin und zurück, ohne Übernachtung. Die Leute haben im Bus geschlafen, waren zehn Stunden in der Stadt und dann ging es zurück.
Ich nehme an, heute wäre das als Angebot undenkbar.
Kristin Vetter: Ja. Die Kunden sind natürlich anspruchsvoller geworden, zu Recht. Auch ist das Reisebus-Geschäft nur noch eines unserer Standbeine. In unseren 27 Reisebüros in Mitteldeutschland können wir den Kunden alles anbieten und vermitteln, von Bus- über Flugreisen bis hin zu Kreuzfahrten. Wir bringen die Leute dann zum Beispiel mit dem Bus zum Flughafen oder zum Schiff.
Mancher denkt bei Busreisen an die berüchtigten Kaffeefahrten.
Birgit Vetter: Das gab es bei uns nie. Davon haben wir uns von Anfang an distanziert, weil es immer den negativen Beigeschmack hatte.
Kristin Vetter: Die Ziele waren von Anfang an so groß wie möglich. Und auch heute behaupten wir uns als Familienunternehmen in einem veränderten Markt.
Wie hat der Markt sich gewandelt?
Kristin Vetter: Früher sind die Leute in Familie mit dem Bus in den Sommerurlaub gefahren, nach Rimini oder Lloret de Mar. Busfahrten waren das touristische Massenprodukt. Heute fliegt man mit dem Billigflieger. Wir haben uns darauf eingestellt. Trotzdem ist die Busreise nicht tot. Erst vor wenigen Jahren hatten wir Reisen nach Marokko im Angebot, mit mehreren Stationen unterwegs, quasi als Kreuzfahrt auf der Autobahn. Auf einer Busreise ist der Weg auch ein Stück weit das Ziel.
Birgit Vetter: Interessanterweise stehen heute die Ziele hoch im Kurs, an die kurz nach der Wende niemand fahren wollte: Osteuropa, Prag, polnische Ostsee, aber auch Russland-Rundreisen. Es gibt da eine starke Rückbesinnung.
Ist es Zufall, dass Sie ein rein weiblich geführtes Unternehmen sind?
Kristin Vetter: Es hat sich so ergeben, sicherlich nicht aus purem Zufall. Tourismus ist frauendominiert. Auch bei uns im Unternehmen sind Frauen in der übergroßen Mehrheit. Das hat nur Vorteile. Es gibt etwa weniger Konkurrenzkampf. Trotzdem müssen unsere Leute natürlich bei uns dieselbe Leistung bringen wie bei Männern.
Birgit Vetter: Auch bei den Kunden entscheiden beim Reisen meist die Frauen. Da ist es doch gut, dass auf der anderen Seite des Tisches auch Frauen sitzen. (mz)