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Verbraucher Verbraucher: Aufstand der Hersteller gegen Stiftung Warentest

Von Peter Kirnich 27.11.2013, 07:20
Im Mai nahmen sich die Warentester E-Bikes vor. Dabei fiel die Hälfte der Produkte durch. Die Hersteller wollen das jedoch nicht hinnehmen.
Im Mai nahmen sich die Warentester E-Bikes vor. Dabei fiel die Hälfte der Produkte durch. Die Hersteller wollen das jedoch nicht hinnehmen. dpa Lizenz

Berlin/MZ - Quadratisch, praktisch, gut? Im Hause Ritter Sport übt man sich gerade an einer Umdeutung des längst zum Ohrwurm mutierten Werbeslogans. Quadratisch, praktisch, natürlich heißt es neuerdings auf der Internetseite des Schokoladenherstellers. Das hat seinen Grund: Vor wenigen Tagen hatte die Stiftung Warentest einen Schokoladentest veröffentlicht. Darin bezeichnen die Tester die Kennzeichnung „natürliches Aroma“ bei einem Ritter-Sport-Produkt als irreführend. Tatsächlich hätten sie einen chemisch hergestellten Aromastoff nachgewiesen. „Das Aroma darf daher nicht als natürlich bezeichnet werden“, schlussfolgert die Stiftung. Die betroffene Schokolade erhielt folglich nur die Note mangelhaft.

Streit häufiger öffentlich

Das Urteil sorgte am Stammsitz im baden-württembergischen Waldenbuch für Entsetzen. Die Einschätzung der Warentester könne die Firma nicht teilen, sagte gestern eine Sprecherin. Der Aromahersteller Symrise aus Holzminden, der das umstrittene Vanille-Aroma mit dem Namen Piperonal liefert, hat Ritter Sport garantiert, dass es sich um ein natürliches Aroma handele. Es stamme aus einer botanischen Quelle, das Herstellungsverfahren sei EU-konform, sagte eine Symrise-Sprecherin. Deshalb akzeptiere man das Testergebnis nicht. Ritter Sport geht noch einen Schritt weiter: „Wir prüfen rechtliche Schritte“, kündigte die Sprecherin an.

Erst vor vier Wochen hatten Hersteller von Elektrofahrrädern die Warentester massiv attackiert. Die Stiftung hatte ihnen ein halbes Jahr zuvor ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Bei einem gemeinsam mit dem ADAC durchgeführten Test von E-Bikes war mehr als die Hälfte der Elektrofahrräder durchgefallen. Neun Modelle erhielten die Note „mangelhaft“. Die Fahrradhersteller warfen den Testern „Panikmache, zweifelhafte Tests und eine katastrophale Interpretation der Ergebnisse vor – und kündigten ebenfalls rechtliche Schritte an. Einer negativen Bewertung der Wundheilsalbe Pyolysin aus dem Serumwerk Bernburg durch die Warentester folgte die gegensätzliche Aussage der zuständigen Arzneimittelaufsicht.

Viele Klagen bleiben erfolglos

Häufen sich die Proteste? Zieht bei den Testern etwa der Schlendrian ein? „Nein“, sagte Sprecherin Heike van Laak der MZ. „Wir sehen die Vorwürfe und die Klageandrohungen gelassen. Unsere Ergebnisse wurden bis heute nicht widerlegt.“ Dass sich Anbieter beschweren, die schlecht abschneiden, sei normal. „Geändert hat sich, dass die Firmen häufiger an die Öffentlichkeit gehen, um ihren Unmut über Testergebnisse kund zu tun.“

Geraten hat ihnen dazu der Industrieverband BDI, nachdem viele Klagen erfolglos blieben. Ein schlechtes Zeugnis der Warentester kann verheerende Folgen für ein Unternehmen haben. Die Symrise-Aktie etwa war unmittelbar nach der Test-Veröffentlichung um vier Prozent abgesackt. Der Handelsverband HDE mahnt die Stiftung deshalb zur Sorgfalt: „Die Tests haben eine hohe Glaubwürdigkeit bei Kunden. Daraus ergibt sich eine große Verantwortung für die Tester“, sagte HDE-Sprecher Stefan Hertel.

Bis zu sechs Monate Prüfdauer

„Unsere Tester arbeiten grundsolide“, zeigt sich van Laak überzeugt. Jährlich gebe es zwar vier bis fünf Prozesse, die jedoch gewinnt die Stiftung Warentest in aller Regelmäßigkeit. „Zuletzt hatten wir in den 90er Jahren mal einen Prozess verloren.“ Was nicht heißen soll, dass die Tester unfehlbar seien. So habe man 2002 ein komplettes Heft mit einer Untersuchung zur Riester-Rente kurz vor Erscheinen zurücknehmen müssen, „weil wir falsch gerechnet hatten“. Den Fehler hatten die Tester selbst entdeckt.

Jährlich prüft die Stiftung rund 2 000 Produkte: Rasenmäher, Hometrainer, Olivenöl, Kondome und vieles mehr. Untersucht werden die Produkte ganz geheim in 130 Prüflabors. Bei jedem Test gebe es einen Fachbeirat, in dem Vertreter von Herstellern, Verbraucher und neutrale Sachverständige sitzen. Die Tests dauern mitunter ein halbes Jahr lang, damit die Ergebnisse gerichtsfest sind.