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Uranabbau Uranabbau: Vergessene Strahlenquellen in Südthüringen

Von Stefan Engelbrecht 22.07.2013, 08:01
Wismut-Projektleiter Ludwig Heyne steht vor dem Becken A der Industriellen Absetzanlage Culmitzsch (Thüringen), wo einst Rückstände aus der Uranerzaufbereitung in einen ehemaligen Tagebau geleitet wurden.
Wismut-Projektleiter Ludwig Heyne steht vor dem Becken A der Industriellen Absetzanlage Culmitzsch (Thüringen), wo einst Rückstände aus der Uranerzaufbereitung in einen ehemaligen Tagebau geleitet wurden. dpa/ARCHIV Lizenz

Erfurt/Schleusingen/dpa. - Es könnte alles so schön sein. Viel Natur, fast unberührte Wälder, ein Ort namens St. Kilian, der sich in den vergangenen Jahren komplett dem Tourismus verschrieben hat - drei Hotels, drei Gaststätten, viele Privatpensionen. Wären da nicht einige unheimliche Stollen in der näheren Umgebung der knapp 3000 Einwohner zählenden Gemeinde im Süden Thüringens. Dort wurden in den frühen 1950er-Jahren für die sowjetische Armee geschätzte 100 Kilogramm Uran abgebaut. Umweltschützer warnen nun davor, dass die Standorte vergessen werden könnten - und fordern zumindest eine regelmäßige Beobachtung.

Uranabbau in Ostdeutschland

„Es gibt Standorte, die sind nicht weniger radioaktiv belastet als die Wismut-Standorte“, sagt Frank Lange vom Kirchlichen Umweltkreis Ronneburg. Darum kümmere sich aber keiner. Seit gut 25 Jahren und damit schon seit DDR-Zeiten beschäftigt sich die Gruppe mit den Folgen des rücksichtslosen Uranabbaus in Ostdeutschland. Die Sanierung übernahm die Wismut GmbH, die bislang rund drei Milliarden Euro in Thüringen investiert hat. Dazu wurden Gruben geflutet, Halden abgetragen und alte Tagebaue verfüllt. In Sachsen waren es etwa 2,7 Milliarden Euro. Der Gesamtbedarf bis 2040 wird auf gut 7 Milliarden Euro geschätzt.

Das bundeseigene Unternehmen saniert aber nur Standorte wie Dänkritz und Helmsdorf bei Zwickau in Sachsen sowie Trünzig und Culmitzsch in Ostthüringen, für die nach dem Umweltkataster Handlungsbedarf besteht. Kleinere Standorte wie der Feldberg bei St. Kilian oder die ebenfalls in Ostthüringen liegende Gauernhalde sowie die Halde Sorge-Settendorf fielen raus, die betroffenen Länder erhielten dafür als Ausgleich in den 1990er-Jahren entsprechende Bundesmittel.

Vor Ort ist die Sache aber kein großes Thema. „Die Gruben liegen alle im Staatsforstgebiet“, sagt der Bürgermeister der Gemeinde, Andre Henneberg. Dafür sei das Land Thüringen zuständig. Zwar wisse er von Wetterschächten, „an denen es ganz bös' nach unten geht“. Diese seien teils nur sehr notdürftig mit losen Brettern abgesichert. „Das ist vielleicht für Pilzesammler im Herbst und Wanderer gefährlich“, sagt er.

Um Radon-Gase, die als Abbauprodukt durch die Uranerze im Gestein entstehen und krebserregend sind, mache er sich aber keine Sorgen. So lange dort nicht gebaut werde, passiere auch nichts. „Man weiß, da ist was, aber still ruht der See“, betont Henneberg. Allerdings: Die 2006 eröffnete Autobahn 73 überquert bei St. Kilian einen der Schächte. Laut Henneberg sind aber bis auf weiteres keine Bauwerke oder die Ausweisung von Wohngebieten in der Gegend geplant, in der früher eine streng abgeschirmte Kaserne der NVA-Grenztruppen lag.

Altstandorte werden neu bewertet

Das Thüringer Umweltministerium will nun die Altstandorte neu bewerten. Erste Ergebnisse von Messungen für den Raum Suhl und Schleusingen sollen Ende Juli vorliegen. Bislang nimmt das Ministerium an, dass es dort „bei den derzeitigen Nutzungen keine radiologische Relevanz“ gibt. Auch werde es bei einer geänderten Verwendung des Geländes Stellung nehmen und gegebenenfalls Empfehlungen aussprechen.

Auch der umweltpolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Landtag, Tilo Kummer, sieht Handlungsbedarf und fordert die Landesregierung auf, eine „Lösung für die sogenannten Ewigkeitsaufgaben“ zu finden. Eine Möglichkeit sei, Angaben über Altlasten auch in Grundbüchern festzuhalten. Damit könnten unkalkulierbare Risiken für potentielle Grundstücksnutzer oder Bauwillige vermieden werden.

Laut Umweltschützer Lang gibt es durchaus eine radiologische Relevanz. Eine erhöhte Belastung mit Radon konnte demnach bereits in den vergangenen Jahren an den Standorten nachgewiesen werden. Derzeit seien die Werte zwar nicht bedrohlich für die Anwohner oder Besucher. Das Gas könne sich aber „aufschaukeln“ und sich in Wohnungen sammeln, befürchtet er. Auch könne der Stoff in das Grundwasser gelangen.

„Die Landesregierung in Erfurt sollte die Sache ernst nehmen“, sagt er. Derzeit handele sie wie bei einer Glühbirne. „Zu nah, verbrennt man sich, weit genug entfernt, freut man sich über das Licht“.