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Unister Unister: Warum Interesse der Investoren nicht zu hohem Verkaufspreis führen muss

Von Steffen Höhne 18.08.2016, 21:25
Die Insolvenz um die Leipziger Firma Unister entwickelt sich immer mehr zu einem Wirtschaftskrimi.
Die Insolvenz um die Leipziger Firma Unister entwickelt sich immer mehr zu einem Wirtschaftskrimi. dpa-Zentralbild

Leipzig - Lucas Flöther machte den Mitarbeitern des in die Pleite gerutschten Online-Reisevermittlers Unister Mut: „Es gibt kein großes Portal, das keine Anfrage gestellt hat“, soll der vorläufige Insolvenzverwalter laut Teilnehmern auf einer Belegschaftsversammlung im „Neuen Rathaus“ in Leipzig gesagt haben. Das Interesse potenzieller Investoren sei hoch.

Wer auf die Veranstaltung in der vergangenen Woche wollte, musste einen Firmenausweis vorlegen. Flöther appellierte an die noch 1.100 Beschäftigten, an Bord zu bleiben. Sie seien eine wichtige Stütze des Unternehmens. In Klammern: ein wichtiger Unternehmenswert.

Doch wie steht es um diesen wirklich? Mit einem vermittelten Umsatz von 1,9 Milliarden Euro ist Unister mit Portalen wie ab-in-den-urlaub.de und fluege.de 2015 noch der größte Online-Reisevermittler Deutschlands gewesen. Einst wurde allein die Reisesparte des Unternehmens mit 600 bis 700 Millionen Euro bewertet, nun spekulieren mehrere Zeitungen, dass der Preis um die 100 Millionen Euro liegen könnte.

Unister-Gründer Thomas Wagner: Absturz mit dem Flugzeug

Die Gruppe hatte wenige Tage nach dem Tod von Unister-Gründer und Geschäftsführer Thomas Wagner am 18. Juli Insolvenz angemeldet. Der 38-Jährige war zusammen mit dem Gesellschafter Oliver Schilling (39) und dem 65-jährigen Finanzvermittler Horst Heinz B. bei einem Flugzeugabsturz in Slowenien ums Leben gekommen. Auch der 73 Jahre alte Pilot starb. Zuvor soll Wagner in Venedig bei einem ominösen Kreditgeschäft um über eine Million Euro betrogen worden sein.

Fest steht, dass Wagner dringend frisches Geld benötigte, um den Konzern mit 40 verschiedenen Portalen über Wasser zu halten. Als Flöther in das Unternehmen kam, fand er teilweise chaotische Zustände vor. In kurzer Zeit musste er die Bereiche halbwegs ordnen.

Seit Montag nun können potenzielle Investoren in einem virtuellen Datenraum in die Bücher des Unternehmens schauen und sich ein eigenes Bild machen. Flöther hat die renommierte und sicher nicht ganz billige australische Investmentbank Macquarie engagiert, um den Verkaufsprozess sauber abzuwickeln.

Unister: Wie hoch ist der Schuldenberg wirklich?

Verschiedene Medien berichten darüber, dass der Wert intern auf 130 Millionen Euro taxiert wurde. Doch nach MZ-Informationen wurde dieser Betrag kurz nach der Insolvenz nur geschätzt, um beim Engagement einer Investmentbank eine Verhandlungsbasis zu haben. Den Marktwert, so heißt es zumindest im Umfeld des Insolvenzverwalters, spiegle das nicht wider. Durch das undurchsichtige Firmengeflecht ist auch noch nicht endgültig geklärt, wie hoch der Schuldenberg wirklich ist. Die Rede ist von 150 Millionen Euro. Doch das Unternehmen befindet sich in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, die die Bilanz künftig belasten könnten.

Ob Unister als Gesamt-Unternehmen verkauft werden kann, ist zu bezweifeln

Es gilt daher fast als ausgeschlossen, dass Unister als Gesamt-Unternehmen verkauft wird. Wahrscheinlicher sind Teilverkäufe wie der der Reisesparte. Dabei dürften sogenannte „Asset-Deals“ vorgenommen werden. Das heißt, die Käufer übernehmen nur Markenrechte, Kundenbeziehungen, Technik und Mitarbeiter. Von den bisherigen Firmen bleiben nur Hüllen, die mit den Verkaufserlösen abgewickelt werden.

Als mögliche Käufer werden von Branchenkennern direkte Konkurrenten wie Expedia, Holyday-Check (Burda) oder weg.de (Pro-Sieben-Sat1) aber auch Finanzinvestoren genannt. Wagner hatte Anfang 2015 bereits einen Verkaufsprozess für die Reisesparte eingeleitet. Damals stand eine Summe von 700 Millionen Euro im Raum. Doch für diesen Preis fand sich offenbar kein Investor.

Den Wert der einzelnen Portale derzeit zu ermitteln, dürfte schwierig werden. Nach MZ-Informationen gibt es durch die Insolvenz und die einhergehende Verunsicherung der Kunden in einzelnen Bereichen Umsatz-Rückgänge von 40 bis 50 Prozent. Gleichzeitig hat Unister allerdings auch das Marketing eingeschränkt. Allein an Google flossen jährlich 100 Millionen Euro für Anzeigen. Das Verteilen von Gutscheinen wurde dagegen beibehalten. Durch das Zurückfahren der Ausgaben soll sich die wirtschaftliche Situation von Unister stabilisiert haben. Doch was derzeit nicht investiert wird, fehlt in Zukunft wahrscheinlich an Umsatz. Flöther will den Verkauf daher möglichst schon im September, spätestens aber im Oktober über die Bühne bringen.

Unister-Geschäfte im Zwielicht

Der Verkaufsprozess verläuft in einem alles andere als ruhigen Umfeld. Fast täglich gibt es neue Enthüllungen zum zurückliegenden Geschäftsgebaren von Unister. So berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ am Donnerstag, dass „zwei Österreicher mit Neonazi-Biografien“ 2013 Einfluss bei Unister gewonnen hätten. Flöther stellt umgehend klar, in dem Unternehmen seien „keine vorbestraften Menschen mit rechtsextremer Biografie als Berater und Teilhaber aktiv“.

Zuvor berichtete die Wirtschaftszeitschrift „Capital“, dass das Online-Imperium bereits vor fünf Jahren ins Wanken geraten sei. Damals untersagte Google Unister eine bestimmte Werbepraxis bei Anzeigen.

Inwieweit sich potenzielle Investoren von solchen Berichten beeinflussen lassen, wird man in den kommenden Wochen sehen. Relativ sicher lässt sich jetzt schon einschätzen, dass Unister-Chef Wagner sein Unternehmen mit allen Mitteln groß machen wollte. Ein langjähriger Mitarbeiter sagte: „Thomas verstand dies als Krieg.“ Der ging verloren. Unister ist nun zur leichten Beute geworden. (mz)