1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Unister vor Insolvenz: Unister vor Insolvenz: Unfalltod Thomas Wagners hat gravierende ökonomische Folgen

Unister vor Insolvenz Unister vor Insolvenz: Unfalltod Thomas Wagners hat gravierende ökonomische Folgen

Von Kai Gauselmann 18.07.2016, 19:10
Blumen und Kerzen stehen vor der Tür der Unister-Zentrale in Leipzig.
Blumen und Kerzen stehen vor der Tür der Unister-Zentrale in Leipzig. dpa

Leipzig - Er war sowas wie Sachsens Antwort auf Bill Gates. Nicht in einer kalifornischen Garage, aber immerhin in seinem kleinen Leipziger Studenten-Wohnheim-Zimmer gründete Thomas Wagner, was einige Jahre lang als das nächste ganz große Ding der Internet-Startup-Szene galt: Unister. Anders als beim US-Vorbild gab es für die Leipziger Internet-Firma kein Happy End. Seit Jahren ist Unister umstritten, musste nach dem rasanten Wachstum wieder Stellen abbauen. Es gab Vorwürfe von Verbraucherschützern und Ermittlungen - vergangene Woche schließlich starb der erst 38-jährige Wagner bei einem Flugzeugabsturz. Nun hat Unister auch noch Insolvenz beantragt. Die MZ beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.

Was gehört zur Unister Holding?

Unister ist als Holding das Dach für eine Gruppe von Firmen. Dahinter steht eine ganze Reihe von Internetportalen. Nach Konzernangaben über 40: Dazu gehören bekannte Adressen wie „fluege.de“, „news.de“ oder „ab-in-den-urlaub.de“ - aber auch „börsennews.de“ und „kredit.de“. Jede Firma ist grundsätzlich in einem bestimmten Maß eigenständig und die Holding an ihr beteiligt.

Ich habe über ein Unister-Portal eine Dienstleistung gebucht und bezahlt - ist das Geld wegen des Insolvenzverfahrens jetzt futsch?

Es handelt sich um ein vorläufiges Insolvenzverfahren, das die Holding betrifft - aber zunächst nicht die einzelnen Portale und Firmen. Der Geschäftsbetrieb des Gesamt-Unternehmens läuft nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters Lucas Flöther ohne Einschränkungen weiter, die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter seien über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert.

Was bedeutet dieses Verfahren dann?

Bei Unister läuft es zweifellos nicht rund. „Die vorläufige Insolvenz bietet vor allem kurzfristige finanzielle Sicherheit“, sagt Insolvenzverwalter Lucas Flöther. „Auf dieser Grundlage kann sich die Unister Holding dann langfristig wieder stabil aufstellen.“ Zunächst muss Flöther jetzt prüfen, ob die Bedingungen für eine Insolvenz und eine Sanierung der Firmengruppe vorliegen. Das dürfte zwei bis drei Monate dauern. Am Ende steht nicht unbedingt das Aus für Unister. Kann Flöther unrentable Teile des Firmengeflechts identifizieren, könnte auch ein Neustart gelingen. Der hallesche Anwalt gilt nicht als Firmenbestatter, sondern eher als Sanierungsexperte. Zuletzt hatte er unter anderem an der Rettung der angeschlagenen Mitteldeutschen Fahrradwerke (Mifa) in Sangerhausen mitgewirkt.

„fluege.de“ ist doch eine bekannte Marke. Was ist überhaupt das Problem bei Unister?

Nach dem raschen Aufstieg seit der Gründung vor gut 14 Jahren hatte Unister zwischenzeitlich mehr als 2 000 Mitarbeiter und soll mehrere hundert Millionen Euro Umsatz gemacht haben. Aber nicht jede Plattform-Gründung und jeder Zukauf hat die Erwartung erfüllt. Schließlich mussten sogar Mitarbeiter entlassen werden, heute gehören zu Unister rund 1 100 Mitarbeiter. In der Gründungszeit war Unister mit der Idee, für Kunden das Internet zum Beispiel nach dem billigsten Flug zu durchsuchen noch Pionier - heute gibt es eine Vielzahl derartiger Angebote.

Was hat der Tod von Thomas Wagner mit dem Insolvenzverfahren zu tun?

„Der tragische Unfalltod des Gesellschafters bedeutet nicht nur persönlich, sondern natürlich auch gesellschaftsrechtlich und wirtschaftlich einen Einschnitt für das Unternehmen“, sagte Flöther. Nach MZ-Informationen konnten sich die verbliebenen Unister-Gesellschafter nicht auf einen neuen Geschäftsführer einigen. Dadurch wäre die Gruppe in einer schwierigen Phase nicht handlungsfähig gewesen: Im Frühjahr war der Verkauf des Portals „Geld.de“ an den Versicherer Hanse-Merkur gescheitert. Die Hamburger sollen nach Medienberichten Unister 50 Millionen Euro geliehen haben. Nach MZ-Informationen soll für einen Teil davon die Rückzahlung fällig werden. Insolvenzverwalter Flöther wollte sich dazu nicht äußern, auch von Unister war keine Stellungnahme zu erhalten. Probleme mit der Liquidität könnten aber sowohl das Insolvenzverfahren erklären als auch die Gerüchte um den Absturz Wagners. Er war über Slowenien in einer kleinmotorigen Maschine auf der Rückkehr aus Italien abgestürzt. Mit ihm starben drei weitere Männer, darunter Unister-Mitgesellschafter Oliver Schilling. Wagner soll in Venedig mit Investoren verhandelt und nach einem unbestätigten Bericht Bargeld in Millionenhöhe mitgeführt haben. (mz)