Ukraine erhält weiter russisches Gas Ukraine erhält weiter russisches Gas: Auch Deutschland profitiert von Einigung im Gasstreit

Berlin - Atempause im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine: Der drohende Lieferstopp von russischem Gas ist vorerst abgewendet, in der Nacht zu Dienstag einigten sich beide Seiten unter EU-Vermittlung auf einen Kompromiss. Wir erläutern, was vereinbart wurde - und warum die Absprachen wichtig für Deutschland und die anderen EU-Staaten sind.
Worum geht es im Gasstreit und was haben beide Seiten nun besprochen?
Die Ukraine ist im hohen Maße von Erdgaslieferungen aus Russland abhängig – also ausgerechnet aus jenem Land, das die Krim annektiert hat und nach Kiewer Auffassung die Verantwortung für den Krieg im Osten der Ukraine trägt. Der Streit um die russischen Gaslieferungen ist Teil des politischen Konflikts zwischen beiden Ländern, in der Vergangenheit hatte Moskau bereits mehrfach den Gas-Export ins Nachbarland unterbrochen. Wegen unbezahlter Rechnungen drohte die russische Regierung zuletzt damit, dies ab Dienstag wieder zu tun. Unter Vermittlung von Maros Sevcovic, dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, einigten sich beide Seiten jedoch in letzter Minute auf einen Kompromiss: Das ukrainische Gasunternehmen Naftogaz ordert die benötigten Mengen beim russischen Gazprom-Konzern, dieser liefert täglich gegen Vorkasse bis zu 114 Millionen Kubikmeter Erdgas. Im Kern wird damit das so genannte „Winterpaket“ vom vergangenen Oktober fortgeführt, mit dem die Ukraine durch den Winter gebracht werden soll. Die neue Absprache gilt zunächst bis Ende März, bis dahin soll über eine Anschlussregelung verhandelt werden.
Warum ist die jüngste Vereinbarung so wichtig für Deutschland und die EU-Staaten?
Auch Deutschland und seine Nachbarländer brauchen russisches Erdgas. Die EU-Staaten decken etwa ein Drittel ihres Gasbedarfs mit russischen Lieferungen, 40 Prozent davon fließen durch die Ukraine. Stoppt Russland die direkten Lieferungen an die Ukraine, könnte dies auch Folgen für den Gas-Transit Richtung Westen haben. Unter anderem wäre denkbar, dass von ukrainischer Seite einfach Gasmengen, die für die EU-Staaten bestimmt sind, aus den Pipelines entnommen werden. „Ich bin beruhigt, dass die Versorgung der EU-Märkte mit Gas sicher bleibt“, sagte Kommissionsvize Sefkovic nach dem Deal.
Sind alle offenen Fragen geklärt?
Nein, ganz und gar nicht. Die Übereinkunft gilt ja zunächst nur bis zum Ende des Monats. Ein besonders strittiger Punkt wurde jetzt überdies ausgeklammert: So ist völlig offen, wie mit den Gaslieferungen in die ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk verfahren wird. Diese sind unter Kontrolle der pro-russischen Separatisten. Die ukrainische Gasgesellschaft hat die Belieferung der beiden Regionen eingestellt. Sie bekommen ihr Gas jetzt direkt von der russischen Gazprom – die allerdings darauf besteht, dass die Ukraine die Rechnung bezahlt. Wie dieser Konflikt gelöst werden kann, ist derzeit völlig offen.
Was können Deutschland und Europa tun, um unabhängiger von russischem Erdgas und vom Gas-Transit durch die Ukraine zu werden?
Die Bedeutung der Ukraine als Transitland für russisches Gas hat in den vergangenen Jahren bereits stark abgenommen. Hauptgrund ist die Eröffnung der Ostsee-Pipeline Nord Stream im Jahr 2011, durch die Gas direkt von Russland nach Deutschland geliefert werden kann. Die Leitung hat ihren Endpunkt in Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Die EU und ihre Mitgliedstaaten wollen angesichts der jüngsten politischen Krise aber auch Anstrengungen unternehmen, um sich generell unabhängiger von russischem Gas zu machen. Energiesparen und der Umstieg auf Erneuerbare können hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Das Gleiche gilt für den Ansatz, die Gas-Bezugsquellen zu diversifizieren, also mehr Erdgas aus Ländern wie Norwegen oder den nordafrikanischen Staaten zu kaufen. Grundsätzlich müssen sich die Lieferanten heute auch nicht mehr in geografischer Nähe zu den Abnehmern befinden: Erdgas lässt sich inzwischen problemlos verflüssigen und mit Spezialtankern rund um den Globus transportieren. Es gibt also eine echte, wenn auch teurere Alternative zum Pipeline-Transport. Auf diese Weise kommen etwa auch Produzenten wie die USA für die Belieferung Europas infrage. Für Russland, das Energie-Lieferungen als Mittel der Außenpolitik betrachtet, ist dies eine gewaltige Herausforderung.
