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TV-Empfang TV-Empfang: Das steckt hinter der Digitalisierung der Kabelnetze

Von Frank-Thomas Wenzel 08.09.2016, 08:25

Berlin - Das TV-Kabel wird digital – mit Hanau ab 20. September als Pilotstadt. Den Kabelnetzbetreibern bringt das bessere Chancen im Konkurrenzkampf um Nutzer fürs schnelle Internet und um das Fernsehen der Zukunft. Wir erläutern, mit welchen Nachteilen aber die Kunden rechnen müssen und wie sie den TV-Empfang sichern.

Was steckt hinter der Digitalisierung der Kabelnetze?

Die Kabelnetze wurden in den 1980er Jahren von der Deutschen Bundespost aufgebaut. Es war eines der größten staatlichen Infrastruktur-Projekte insgesamt. Die TV-Signale wurden zunächst mit der Analogtechnik verbreitet. Nach der Privatisierung von Post und Telekom und dem Verkauf der Netze wurden diese auch Zug um Zug digitalisiert. Das bedeutet, die elektronischen Signale werden komprimiert.

Über den analogen Übertragungskanal für einen Fernsehsender lassen sich bis zu zwölf Programme in Standard- und sechs in HD-Qualität transportieren. Oder für die Internetnutzung kann eine Bandbreite von etwa 50 Megabit pro Sekunde bereitgestellt werden. Bundesweit haben bereits 14 Millionen Haushalte einen digitalen Kabelanschluss.

Warum treiben die Kabelnetzbetreiber die Digitalisierung voran?

Wir erleben gerade, dass sich der Wettbewerb um die Verbreitung beweglicher Bilder aller Art verschärft. Fernsehen wird seit Ende Mai nicht nur via Kabel und Satellit, sondern auch terrestrisch in HD-Qualität verbreitet.

Zugleich nimmt die klassische Nutzung des linearen Fernsehens ab, stattdessen gewinnen vor allem bei jungen Nutzern Abrufdienste über Mediatheken oder Anbieter wie Netflix deutlich an Bedeutung. Dafür braucht es schnelle Internetanschlüsse. Hier gehen überdies die Telekommunikationsunternehmen – allen voran die Deutsche Telekom – in die Offensive. Die Kabelnetzbetreiber wollen sich nicht abhängen lassen und Platz in ihren Leitungen schaffen.

Wie weit ist der Ausbau der Netze?

Die Netze der beiden großen Anbieter – Unitymedia und Kabel Deutschland – sind längst digitalisiert. Aber parallel dazu werden noch immer die analogen Signale bis zur Steckerbuchse im Wohnzimmer transportiert, was viel Kapazität im Kabelnetz belegt. Deshalb würden die beiden Unternehmen die analogen Signale lieber heute als morgen abschalten.

Gibt es Pläne für die Abschaltung?

Unitymedia hat für sein Verbreitungsgebiet (NRW, Hessen und Baden-Württemberg) beschlossen, die analogen Signale am 30. Juni 2017 endgültig abzuschalten. Bei Kabel Deutschland, der Anbieter ist in den übrigen 13 Bundesländern aktiv, steht noch kein Termin fest. Man strebe ein gemeinsames Vorgehen mit kleineren Kabelnetzbetreibern, der Wohnungswirtschaft und den TV-Sendern an, sagt eine Sprecherin.

Insidern zufolge will auch die Vodafone-Tochter im nächsten Jahr die alte Technik endgültig außer Dienst stellen, allerdings sollen die Vorbereitungen dafür noch längst nicht so weit sein wie bei Unitymedia. Die Landesmedienanstalten unterstützen indes die Volldigitalisierung.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Unitymedia hat bereits in den vergangenen Wochen mehrere kleinere Analogsender abgeschaltet und gleichzeitig das HD-Angebot ausgebaut. Für die Volldigitalisierung wurde Hanau als Pilotstadt ausgeguckt.

Dort wird am 20. September der Schalter umgelegt und die Analog-Ära beendet. Hanau soll vor allem dazu dienen Erfahrungen zu sammeln, wie die Nutzer reagieren. Es geht für das Unternehmen darum, möglichst wenig Nutzer zu verärgern. Die könnten dann ihre Verträge kündigen. Vor allem treue, ältere Kunden dürften betroffen sein. Allerdings liegt die Quote mit Anschlüssen, die die Analogtechnik noch nutzen, bei nur noch rund zehn Prozent.

Wo liegen die Probleme für die Nutzer?

Unkompliziert ist es bei Kabelkunden, die sich nach 2010 einen Fernseher gekauft haben. Denn diese sind serienmäßig mit Digitaltunern (DVB-C) ausgerüstet. Allerdings muss im Gerät auch der digitale Empfang eingestellt sein. Das kann jeder Nutzer über die Einstellungen für den TV-Apparat überprüfen.

Was ist mit älteren Geräten?

Ältere Apparate oder gar Röhrengeräte verfügen nicht über die Digitaltechnik, deshalb braucht es ein Zusatzgerät, das digitale Signale in analoge verwandelt. Diese Receiver gibt es relativ günstig im Fachhandel zu haben. Kabelnetzbetreiber verleihen sie auch gegen eine Gebühr.

Wie wird es bei Unitymedia weitergehen?

Das Unternehmen kann an der Abschaltung der Analogtechnik künftig noch offensiver mit hohen Bandbreiten werben. Der neueste Übertragungsstandard macht Geschwindigkeiten von mehr als 1000 Megabit pro Sekunde möglich.

Das ist insbesondere dann wichtig, wenn Prognosen von Marktforschern wahr werden und das traditionelle Fernsehen immer mehr an Bedeutung verliert und Abrufdienste wie Netflix an Bedeutung gewinnen werden – Schnelle Internetanschlüsse werden dann für Unitymedia immer wichtiger. Gleiches gilt für Kabel Deutschland.

Wie steht es um mobile Angebote?

Der Medienkonsum wird sich immer mehr auf Smartphones und Tablets verlagern. Deshalb versuchen Kabelnetzbetreiber ihren Kunden auch unterwegs hohe Bandbreiten anzubieten. Unitymedia baut deshalb öffentliche Wlan-Netze in großen Städten aus. Zugleich hat das Unternehmen private Wlan-Router von Nutzern auch für andere Kunden geöffnet und sie damit zu Hotspots gemacht. Doch das hat dem Unternehmen viel Ärger eingebracht.

Wer wehrt sich gegen die vielen neuen Hotspots?

Verbraucherschützer klagen dagegen. Die Router sollen ohne Einwilligung der Kunden zu Hotspots werden. Das bestehende Vertragsverhältnis werde unzulässig erweitert, „weil der Router des Kunden automatisch in einen Hotspot umfunktioniert wird, wenn dieser nicht widerspricht“, erklärt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.

Ein langwieriges, kompliziertes Verfahren steht da an, während die Unity-Manager hoffen, dass sich die Kunden von dem Hotspot-Konzept überzeugen lassen. Für die Umstellung sei zudem keine explizite Zustimmung nötig, da sich die Sendeleistung des Routers nicht verändere und die Kunden den Hotspot jederzeit selbst abschalten könnten, so ein Sprecher.