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Tests im Test Tests im Test: Wie die Stiftung Warentest ihre Unabhängigkeit sichert

Von Stefan Sauer 05.03.2018, 11:02
Logos der Stiftung Warentest.
Logos der Stiftung Warentest. picture alliance / dpa

Die Sicherheitsvorkehrungen sind beträchtlich. Standort und Name des Unternehmens müssen geheim bleiben. Mitarbeiter lassen sich nur unter Alias-Namen zitieren.  Fotografieren ist gestattet, allerdings mit erheblichen Einschränkungen: Weder der Institutsname noch Beschäftigte oder Testprodukte dürfen erkennbar sein. Die Geheimniskrämerei um das Prüfinstitut mit Sitz in Hessen – das immerhin darf verraten werden – hat einen simplen Grund: Die Stiftung Warentest, die das Unternehmen regelmäßig mit Prüfungen beauftragt, möchte jede Einflussnahme seitens der Hersteller auf die Produkttester ausschließen.

Diskretion wird großgeschrieben

Versuche in diese Richtung hat es immer wieder gegeben. Da gab es einen Butter-Test, dessen missliebiges Ergebnis eine Großmolkerei mit der Ankündigung quittierte, fürderhin das betreffende Prüfinstitut nicht mehr mit Aufträgen zu bedenken. „Die Institute sind wirtschaftlich von den Herstellern abhängig, die ihre Produkte testen lassen. Nur von unseren Prüfaufträgen könnten die nicht leben“, sagt Holger Brackemann, Untersuchungsleiter der Stiftung Warentest, beim Rundgang durch die Labore des Instituts ohne Namen. Die Geheimhaltung liegt also einesteils im Interesse der Prüf-Unternehmen. Andernteils ist auch die Stiftung Warentest auf Diskretion angewiesen. Schließlich verdankt die Institution ihren exzellenten Ruf der Garantie, unabhängig von Herstellerinteressen im Sinne der Verbraucher Waren aller Art unter die Lupe zu nehmen und zu bewerten.

Dabei kommt die Stiftung regelmäßig zu anderen Ergebnissen als die Hersteller in den von ihnen veranlassten Tests. Mal ist der Energieverbrauch weit höher, als von den Produzenten angegeben, mal bleibt die Leistung hinter den versprochenen Standards zurück, mal ist das Produkt zwar funktionsfähig, aber schlecht handhabbar. „Den Stromverbrauch von Kühlschränken zum Beispiel messen die Hersteller bei gleichbleibend niedriger Raumtemperatur, ohne Öffnen der Tür, ohne Befüllung“, sagt Brackemann. Demgegenüber kommen die von Warentest initiierten Prüfungen dem wirklichen Leben deutlich näher: Der Kühlschrank wird mehrfach geöffnet und beladen, auch mit vorgewärmten Speisen. Dass der Stromverbrauch somit steigt, liegt auf der Hand.

Zum Teil ist das etwas lebensfremde Untersuchungsdesign der Notwendigkeit geschuldet, unter streng normierten Bedingungen vergleichbare Ergebnisse zu erlangen. Ein Beispiel ist der Staubsauger-Test: Im Labor fährt ein Sauger maschinell gesteuert mit genau definiertem Druck über einen Woll-Teppich, in den zuvor ein präzise genormter Staub unter immer gleichen Bedingungen einschließlich der Luftfeuchtigkeit und Temperatur eingewalzt wurde. Die Normierung geht so weit, dass die Wolle für den Teppich einer einzigen großen Schafherde in Irland entstammt - bundesweit, in allen Test-Laboren für Staubsauger. An solcher „Gleichmacherei“ ist  im Prinzip nichts auszusetzen.

Die Stiftung gewinnt die meisten Verfahren

Dass aber die Hersteller ihre Geräte ausschließlich mit leerem Staubbeutel testen lassen dürfen, hat nicht allein technische Gründe, mutmaßt Brackemann: „Die Saugleistung nimmt mit der Füllung des Staubbehälters ab.“ Das wissen selbstredend auch die produzierenden Unternehmen, die in den nationalen und europaweiten Gremien zur Festlegung des Prüfungsdesigns vertreten sind und dort ihnen genehme Testbedingungen durchsetzen. Mit anderen Worten: Die Testbedingungen werden maßgeblich von jenen Unternehmen bestimmt, deren Erzeugnisse untersucht werden. Wohin das führen kann, belegt die Autoindustrie mit ihren Schadstoffmessungen seit Jahren: Angeblich geringe Emissionen gehen mit unverändert hohen Schadstoffbelastungen einher.

Auf kritische Berichte und schlechte Bewertungen reagiert manch Hersteller mit einer Klage vor Gericht. Da die allermeisten Verfahren von der Stiftung gewonnen werden, haben sich viele Unternehmen darauf verlegt, die Glaubwürdigkeit von Warentest zu untergraben. Etwa mit der Behauptung, das Prüfungsdesign sei unsachgemäß und die Tester hätten keinen Ahnung. Den guten Ruf der Stiftung zu beschädigen, ist indessen kein leichtes: Einer Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen zufolge kennt praktisch jeder die Stiftung Warentest, vier von fünf Befragten vertrauen den Prüfergebnissen.

Hohes Verbrauchervertrauen ist Geld wert

Wesentliche Finanzquellen der Stiftung ist der Verkauf der Zeitschriften Test und Finanztest, die 2017 rund 33 Millionen Euro zum Gesamtumsatz von 52 Millionen Euro beitrugen. Fast 4,5 Millionen Euro stammen von Lesern, die das Onlineangebot abonniert haben oder für einzelne gebührenpflichtige Testergebnisse zwischen 0,75 und 5 Euro bezahlen. Hinzu kommen Kapitalerträge aus dem 175 Millionen Euro schweren Stiftungsvermögen, staatliche Zuschüsse von gut 5 Millionen Euro sowie 4 Millionen Euro an Lizenzeinnahmen, die die Hersteller für die Werbung mit guten Stiftung-Warentest-Ergebnissen zahlen.

Schließlich ist das hohe Verbrauchervertrauen für Produkte mit guter Bewertung im Wortsinne Geld wert. Ein „Gut“ oder „Sehr gut“ auf der fünfstufigen Notenskala der Stiftung hilft dem Absatz auf die Sprünge, während Produkte mit schlechteren Ergebnissen von den großen Handelsketten Edeka, Rewe, Lidl und Aldi oft ausgelistet werden.

Überflüssig wird sich die Stiftung Warentest  damit aber gewiss nicht machen, glaubt Brackemann: „Die Hersteller werden wie bisher jeden Spielraum nutzen, um Testergebnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen.“

Die Hintergründe der Stiftung

Die Stiftung Warentest wurde 1964 von der Bundesregierung als gemeinnützige Stiftung ins Leben gerufen, ist aber von staatlicher Einflussnahme unabhängig. Das Stiftungskapital wurde 2016 von 75 auf 175 Millionen Euro ausgestockt. Auf Dauer sollen die Kapitalerträge die bisher noch gezahlte staatliche Zuschüsse überflüssig machen. Die Stiftung zählt derzeit 340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Geprüft werden nicht nur Produkte, sondern auch Herstellungsprozesse nach sozialen und ökologischen Kriterien: Werden  Tierwohlaspekte berücksichtigt? Kann Kinderarbeit ausgeschlossen werden? Leiden Umwelt und Natur unter der Herstellung? Für die Wiedergabe der Testergebnisse auf der Verpackung zahlen Unternehmen zwischen 7700 und 44 000 Euro an die Stiftung. Die Nutzung ist auf  2,5 Jahre begrenzt, kann aber einmalig um ein weiteres Jahr verlängert werden.