Elektromobilität Tesla in der Krise: Der Elektroautobauer hat sich übernommen

Berlin - Erst haben sie Elon Musk hochgejubelt. Jetzt lassen die Anleger die Aktien seines Elektroautobauers Tesla wie heiße Kartoffeln fallen. Das Papier verlor gestern bis zum Nachmittag zeitweise fast acht Prozent – noch im Frühjahr war Tesla zeitweise wertvoller als der größte US-Autobauer General Motors (GM) gewesen.
Die Leute bei Tesla gehen gerade durch die „Produktionshölle“ – so hat ihr Chef es formuliert. Man sei am tiefsten Punkt angelangt. Und Musk räumte ein, kürzlich tief deprimiert gewesen zu sein. Dabei hat er sich nichts Geringeres als die Revolution der Autobranche vorgenommen. Denn er will mit dem Model 3 das erste für den Massenmarkt taugliche E-Auto auf die Straßen bringen. Anzahlungen für fast 500.000 Fahrzeuge liegen vor.
Tesla schmelzt seinen Vorsprung ein
Doch Tesla kommt mit der Fertigung nicht hinterher. Manager von VW, Daimler und BMW dürften sich freuen. Sie haben zwar alle dem Wagemut von Musk Respekt gezollt. Aber zugleich gehen sie es bei der Elektromobilität erheblich langsamer an. Erst um das Jahr 2020 herum wollen sie Stromer im großen Stil anbieten. Und je mehr sich das Model 3 verspätet, umso geringer wird der Vorsprung von Tesla gegenüber der Konkurrenten von VW bis Renault bei der Erschließung des E-Automarktes.
Teslas aktuelle Geschäftszahlen für das dritte Quartal sind jedenfalls ein einziges Desaster. Dass das Unternehmen 1,4 Milliarden Dollar verbrannt hat, also 16 Millionen pro Tag, ist noch nicht einmal das Schlimmste. Denn enorme Summen wurden einmalig aufgewendet, um die Massenproduktion des Model 3 auf den Weg zu bringen. Für Investoren dürfte es viel beunruhigender sein, dass Musk und seine Ingenieure es nicht geschafft haben, die Fertigung wie geplant hochzufahren.
Nur 260 Fahrzeuge konnten ausgeliefert werden
Wieder einmal konnte der Tesla-Chef seine Versprechen nicht halten. Lediglich 260 Exemplare des Mittelklasseautos, das ab 35.000 Dollar angeboten werden soll, konnten in den drei Monaten zwischen Juli und September ausgeliefert werden. Eigentlich sollte die Produktion schon im Dezember auf 5000 Fahrzeuge pro Woche hochgefahren werden. Doch es gebe Engpässe. Und es sei schwer vorherzusagen, wann sie beseitigt werden könnten, erläuterte Musk kleinlaut.
Die Probleme sind offenbar vielfältig. So schreiben Musk und sein Finanzchef Deepak Ahuja in einem Brief an die Aktionäre, dass verschiedene Fertigungslinien unter anderem für den Antriebsstrang, die Sitze oder die Lackierung nun eine Kapazität für mehr als 1000 Fahrzeuge pro Woche hätten. Doch nur halb so viel sei beim Karosseriebau und bei der Montage der Batteriepakete möglich.
Massenfertigung ist ambitioniertes Vorhaben
Damit bestätigen sich Mutmaßungen, die von skeptischen Analysten aber auch von deutschen Autowissenschaftlern wie Stefan Bratzel immer wieder geäußert werden: Es ist ein extrem ambitioniertes Vorhaben von der bisherigen Produktionsweise für die Luxus-Stromer Model S und Model X, die eher einer Manufaktur entsprach, auf die Massenanfertigung für das Mittelklasseauto Model 3 umzuschalten – VW, GM oder Toyota haben hier gegenüber Tesla einen riesigen Wissensvorsprung. Und hinzu kommt, dass es bislang beim Montieren von E-Autos in großen Stückzahlen überhaupt keine Erfahrungen gibt.
Das gilt insbesondere für die Batterien, zumal Tesla in Zusammenarbeit mit dem japanischen Technologiekonzern Panasonic neuartige Lithium-Ionen-Akkus in einer extra dafür gebauten Gigafactory in Nevada produzieren lässt. Äußerlich konventionellen Rundbatterien für Taschenklampen sehr ähnlich, sind sie aber erheblich leistungsfähiger als diese. Mehrere tausend dieser Zellen kommen in den Unterboden des Model 3. Sie sollen eine Reichweite von rund 400 Kilometer ermöglichen.
Musk will Optimismus verbreiten
Doch bei der Zellenproduktion hakt’s. Ein hochrangiger Panasonic-Manager räumte kürzlich ein, dass die Automatisierung nicht funktioniert habe und die Batterien „von Hand“ erstellt werden mussten. Und Musk berichtet, dass er sich vorigen Sonntag nachts um 2 Uhr in der Gigafactory befunden habe, um dabei zu helfen, die fehlerhafte Kalibrierung eines Produktionsroboters zu beheben.
Doch Musk bleibt sich treu und versucht nun Optimismus zu verbreiten. Nach dem Abstieg in die tiefste Hölle könne er nun deutlich einen Weg ins Sonnenlicht sehen. Details über das Hochfahren der Model-3-Produktion will er allerdings erst zu Beginn des neuen Jahres bekannt geben. Aber er kündigte bereits an, dass man Ende März das Ziel mit den 5000 Auslieferungen pro Woche erreichen wolle. Dafür sollen auch Arbeiter von der Montage der anderen Modelle abgezogen werden, um die Teams fürs Model 3 zu unterstützen.