Tarifstreit bei der Deutschen Bahn Tarifstreit bei der Deutschen Bahn: GDL kündigt Bahn-Streiks an

Frankfurt - Im Tarifkonflikt bei der Bahn stehen die Zeichen auf Streik. Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, hat am Mittwochnachmittag einen weiteren Ausstand angekündigt. Zu Zeitpunkt und Dauer machte er zunächst keine Angaben. Die Ankündigung werde „rechtzeitig“ kommen. Eine GDL-Sprecherin sagte dieser Zeitung, Gerichte hätten einen Arbeitskampf über 100 Stunden für angemessen erklärt. Streikende Lokführer an mehr als vier Tagen, das würde bundesweit ein riesiges Verkehrschaos verursachen. Beobachter vermuteten, dass über das Wochenende die Züge still stehen könnten, um die Auswirkungen für Berufspendler im Rahmen zu halten.
Am Vormittag hatte es die Gewerkschaft noch einmal versucht, Bewegung in das Hickhack zu bringen. Es lag ein Papier mit neun Punkten vor, mit dem der Weg für weitere Verhandlungen mit der Deutschen Bahn geebnet werden sollten. Mit rätselhaften Abkürzungen wird in dem Papier hantiert. Mehrfach werden „BuRa“ und „LfTV“ erwähnt. Zur Dynamik des verbissenen Kampfes um einen neuen Lokführertarifvertrag (LfTV) und eine Vereinbarung für Zugbegleiter und Mitarbeiter der Bordbistros gehört, dass die Kontrahenten Begrifflichkeiten entwickelt haben, die nur noch Insider verstehen. Wobei es bei den jetzt strittigen Punkten keineswegs darum geht, wie viel Stunden das Zugpersonal künftig arbeitet und wer wie viel mehr demnächst verdient (die GDL fordert fünf Prozent).
Das Neun-Punkte-Papier diente lediglich dazu, einen Stand der Verhandlungen zu definieren, auf der die Tarifverhandlungen weitergeführt werden sollen. So weit ist es in der Auseinandersetzung gekommen. Unter anderem sollte festgelegt werden, dass der vorliegende Entwurf eines Bundesrahmen-Zugpersonal-Tarifvertrags (BuRa-ZugpersonalTV) als Basis für weitere Gespräche dient. Doch selbst in diesem Punkt sind sich beide Seiten uneins. Die Bahn teilte der GDL am Mittwochvormittag mit, dass es zu komplex sei, auf diesem Weg zu einem Ergebnis zu kommen. Die Idee eines Spitzengesprächs kam auf. Doch davon wollten die GDL-Oberen nicht wissen, stattdessen setzten sie sich zusammen, um über die Details eines Streiks zu beraten.
Für Weselsky ist natürlich die Bahn an allem schuld: Der Arbeitgeber steuere sehenden Auges in eine Auseinandersetzung. Das Management sitze „die eigene Konzeptionslosigkeit auf dem Rücken der Fahrgäste und Fracht Kunden aus“. Für Weselsky gibt es keinen Zweifel, dass die Bahn seit zwei Monaten „eine kalkulierte Hängepartie“ betreibe. Davon wollen die Verantwortlichen des Staatskonzerns natürlich nichts wissen. Eine Lösung gehe nur durch „sprechen, verhandeln, verhandeln und sprechen“, so eine DB-Sprecherin. Doch fest steht, dass seit Wochen trotz vieler Treffen über inhaltliche Forderungen kein einziges Mal gesprochen wurde – das räumen beide Seiten ein.
GDL will neue Struktur
Für ein Spiel auf Zeit gibt es aus Sicht der Bahn jedenfalls einiges an Plausibilität. Der Hintergrund: In dem Konflikt geht es um weit mehr als Gehaltserhöhungen und kürzere Arbeitszeit. Die GDL will im Grunde eine komplett neue Struktur bei den Tarifverträgen durchsetzen. Diese sollen an die Vereinbarungen mit anderen Bahnunternehmen angepasst werden. Und die GDL will dies nicht nur für ihre Kernklientel – die Lokführer - durchsetzen, sondern unter anderem auch für Zugbegleiter. Die Gewerkschaft, die für ihre Hartnäckigkeit bekannt ist, würde damit ihre Macht bei der Bahn massiv ausbauen.
Überdies sollen die Vereinbarungen mit denen der konkurrierenden Gewerkschaft EVG möglichst deckungsgleich sein. Doch bei diesem höchst komplizierten Unterfangen wächst der Zeitdruck. Denn die Bundesregierung will ein Gesetz zur Tarifeinheit verabschieden, das soll bis zum 10. Juli über die Bühne gehen. Nach diesem Termin, gelten komplett neue Regeln. Letztendlich könnte es soweit kommen, dass bei inhaltlich differierenden Vereinbarungen, dann das Tarifwerk der Gewerkschaft in Kraft gesetzt wird, die innerhalb einer Berufsgruppe die größere Zahl von Beschäftigten organisiert hat. So könnte zumindest bei den Zugbegleitern die GDL ins Hintertreffen geraten, da dort die EVG weit mehr Mitglieder hat. Daraus entsteht Druck für Weselskys Organisation. Je näher der Juli rückt, umso ungünstiger könnte seine Verhandlungsposition werden. Womöglich müssten die ansonsten so hartnäckigen Lokführer sich dann auf zu Zugeständnisse einlassen. Weselsky und seine Leute können angesichts dessen nur mit abermaligen Streiks dagegenhalten – „ein Szenario, das wir weder wollen noch wünschen“, so der GDL-Chef. Und weiter: Noch habe die Bahn die Chance, den Arbeitskampf abzuwenden, wenn sie das Neun-Punkte-Papier doch noch unterzeichne.